§ 23. Weshalb heute ein Bewusstsein für die allgemeine Form des Lebens entsteht

Dass sich bisher kein umfassendes Bewusstsein für die Existenz einer allgemeinen Form des Lebens herausbilden konnte, ist darauf zurückzuführen, dass sie die grundlegendste Form ist, deren Geltung mit dem Leben selbst in Kraft tritt, wodurch sie, gerade aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit, für alles andere, das innerhalb ihrer selbst erscheint, zu einem weißen Hintergrund, zur unsichtbarsten aller unsichtbaren Formen wird. Hier zeigt sich aufs Neue bestätigt, dass gerade die bedeutsamsten, allen anderen Formen zugrundeliegenden allgemeinen Formen jene sind, die uns am wenigsten bewusst werden, woraus sich die Dringlichkeit einer Aufdeckung derselben ergibt. Dass man sich dieser Formen gerade heute bewusst wird, ist nicht ein Werk des Zufalls. Durch das Hervortreten einer Zehnten Kunstform erscheint die allgemeine Form des Lebens unter den Bedingungen der Künstlichkeit und der Kunst, was zu einem Wiedereintreten dieser Form ins allgemeine Bewusstsein führt. Das Natürliche und Allgemeine ist damit in einem bisher für unmöglich gehaltenen Ausmaß zu einem Effekt von Kunst geworden.

§ 24. Das Medium. Zur sonderbaren Natur des Begriffs

Der allgemeine Begriff des Mediums hat für die Erkenntnis dieselben Eigenschaften wie der Begriff der Zeit: Er erhellt vieles, bleibt selbst hingegen dunkel. Diese sonderbare Natur des Begriffs, die einerseits in seiner fast schon universalen Anwendbarkeit gründete, andererseits darin, dass nie so recht begreiflich werden wollte, was er letztlich bezeichnet, war für die Wissenschaft, die sich mit seinen Erscheinungsformen beschäftigte, immer schon sowohl ein Fluch als auch ein Segen gewesen, jedoch dergestalt, dass der Fluch ebenso als ein Segen, der Segen ebenso als ein Fluch erscheinen mochte. So konnte diese Wissenschaft ihre Erkenntnisse auf vielen Gebieten erweitern, zugleich aber drohte sie einzubüßen, was ihr ihre Einheit gab.

§ 25. Zur rechten Herangehensweise an die Erläuterung eines solchen Begriffs

Es scheint mir nicht sonderlich klug zu sein, bei der ersten Gelegenheit, die sich bietet, gleich daran gehen zu wollen, einem solchen Begriff die Dunkelheit gleichsam auszutreiben, zumal sich andere aller Wahrscheinlichkeit nach bereits daran versucht haben. Vielversprechender scheint mir eine andere Herangehensweise, bei der die Dunkelheit nicht als das Resultat einer Privation des Lichts begriffen wird, sondern als etwas, dem selbst als ein Eigenes Geltung zukommt, wodurch die Dunkelheit als etwas begreiflich würde, das nicht ausgetrieben werden kann, sondern im Gegenteil als etwas, in das man hineinsteigen muss, um auf dem Weg in selbige nicht etwa zu beobachten, wie das Licht die Dunkelheit, sondern wie die Dunkelheit das Licht verdrängt. Damit aber ist in letzter Konsequenz die Notwendigkeit eines Ortes anerkannt, an den kein Licht geraten kann. Die rechte Herangehensweise an die Erläuterung des Begriffs wäre folglich nicht im Versuch verwirklicht, den Begriff des Mediums zu erhellen, sondern vielmehr, im Abschreiten jener Grenze, zu erhellen, weshalb man ihn nicht erhellen kann, weshalb er sein Geheimnis nicht preisgibt

§ 26. Metaphysische Versuchsanordnungen

Dass ich den Begriff des Mediums mit dem Begriff der Zeit in Zusammenhang brachte und in ihm etwas sehe, dessen Bedeutung nicht vollständig aufgeklärt werden kann, daran zeigt sich schon, dass ich ihn als einen metaphysischen Begriff verstehe. In den folgenden Betrachtungen, die eine Art spekulative metaphysische Versuchsanordnung darstellen, möchte ich versuchen, den Begriff des Mediums als den grundlegendsten aller metaphysischen Begriffe zu denken, um eine neue Vorstellung von dessen Bedeutung zu gewinnen, eine Bedeutung, welche die Dunkelheit, an die der Begriff grenzt, in sich aufnimmt.

§ 27. Bedingungen, Erscheinungen und Form

Worauf die Untersuchung eines Mediums letztlich abzielt, ist weder allein die Analyse seiner Bedingungen noch allein die Analyse seiner Erscheinungen. Bedingungen können ganz allgemein als dasjenige begreiflich werden, unter welchem Erscheinungen möglich werden, Erscheinungen können ganz allgemein als dasjenige begreiflich werden, was unter Bedingungen wirklich wird. Wie die Form dieser Definitionen bereits nahelegt, sind die Begriffe dialektisch organisiert, weshalb gilt, dass sie erst vermöge des sonderbaren Verhältnisses begreiflich werden, das sie zueinander eingehen. Dieses sonderbare Verhältnis ist jenes, wonach die Analyse der Bedingungen und die Analyse der Erscheinungen streben und worin ihre eigentliche Bedeutung liegt: eine Vorstellung von der Form des Mediums einzugeben. Die Form stellt eine Bemühung des Geistes dar, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie das eine zu dem anderen, das andere zu dem einen komme, und sie ist dasjenige, wonach eine Formwissenschaft letzten Endes fragt. Dass der Begriff des Mediums für so viel Verwirrung sorgt, liegt folglich auch daran, dass er dreierlei Dinge bezeichnet: Bedingungen, Erscheinungen und Form.