Es scheint mir nicht sonderlich klug zu sein, bei der ersten Gelegenheit, die sich bietet, gleich daran gehen zu wollen, einem solchen Begriff die Dunkelheit gleichsam auszutreiben, zumal sich andere aller Wahrscheinlichkeit nach bereits daran versucht haben. Vielversprechender scheint mir eine andere Herangehensweise, bei der die Dunkelheit nicht als das Resultat einer Privation des Lichts begriffen wird, sondern als etwas, dem selbst als ein Eigenes Geltung zukommt, wodurch die Dunkelheit als etwas begreiflich würde, das nicht ausgetrieben werden kann, sondern im Gegenteil als etwas, in das man hineinsteigen muss, um auf dem Weg in selbige nicht etwa zu beobachten, wie das Licht die Dunkelheit, sondern wie die Dunkelheit das Licht verdrängt. Damit aber ist in letzter Konsequenz die Notwendigkeit eines Ortes anerkannt, an den kein Licht geraten kann. Die rechte Herangehensweise an die Erläuterung des Begriffs wäre folglich nicht im Versuch verwirklicht, den Begriff des Mediums zu erhellen, sondern vielmehr, im Abschreiten jener Grenze, zu erhellen, weshalb man ihn nicht erhellen kann, weshalb er sein Geheimnis nicht preisgibt
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§ 26. Metaphysische Versuchsanordnungen
Dass ich den Begriff des Mediums mit dem Begriff der Zeit in Zusammenhang brachte und in ihm etwas sehe, dessen Bedeutung nicht vollständig aufgeklärt werden kann, daran zeigt sich schon, dass ich ihn als einen metaphysischen Begriff verstehe. In den folgenden Betrachtungen, die eine Art spekulative metaphysische Versuchsanordnung darstellen, möchte ich versuchen, den Begriff des Mediums als den grundlegendsten aller metaphysischen Begriffe zu denken, um eine neue Vorstellung von dessen Bedeutung zu gewinnen, eine Bedeutung, welche die Dunkelheit, an die der Begriff grenzt, in sich aufnimmt.
§ 27. Bedingungen, Erscheinungen und Form
Worauf die Untersuchung eines Mediums letztlich abzielt, ist weder allein die Analyse seiner Bedingungen noch allein die Analyse seiner Erscheinungen. Bedingungen können ganz allgemein als dasjenige begreiflich werden, unter welchem Erscheinungen möglich werden, Erscheinungen können ganz allgemein als dasjenige begreiflich werden, was unter Bedingungen wirklich wird. Wie die Form dieser Definitionen bereits nahelegt, sind die Begriffe dialektisch organisiert, weshalb gilt, dass sie erst vermöge des sonderbaren Verhältnisses begreiflich werden, das sie zueinander eingehen. Dieses sonderbare Verhältnis ist jenes, wonach die Analyse der Bedingungen und die Analyse der Erscheinungen streben und worin ihre eigentliche Bedeutung liegt: eine Vorstellung von der Form des Mediums einzugeben. Die Form stellt eine Bemühung des Geistes dar, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie das eine zu dem anderen, das andere zu dem einen komme, und sie ist dasjenige, wonach eine Formwissenschaft letzten Endes fragt. Dass der Begriff des Mediums für so viel Verwirrung sorgt, liegt folglich auch daran, dass er dreierlei Dinge bezeichnet: Bedingungen, Erscheinungen und Form.
§ 28. Es gibt nichts, das unvermittelt wäre, weil das erste Prinzip dasjenige der Vermittlung ist
Fragt man nach den ersten und letzten Bedingungen, so ließen sich Geist und Welt als solche ersten und letzten Bedingungen aller Erscheinungen denken. Aber Geist und Welt ließen sich mit gleichem Recht als die ersten und letzten Erscheinungen denken. Für die ersten und letzten Dinge scheint somit zu gelten, dass sie sowohl die ersten und letzten Bedingungen als auch die ersten und letzten Erscheinungen sind, dergestalt, dass der Geist unter den Bedingungen der Welt erscheint und die Welt unter den Bedingungen des Geistes erscheint. Damit ist das erste Prinzip eines der Vermittlung, wodurch die formwissenschaftliche Frage nach der Differenz von Medium und Leben in die formwissenschaftliche Frage nach der Eigengesetzlichkeit des Lebens selbst als einer Vermittlung von Geist und Welt eingeht. Zu leben bedeutet, zwischen Geist und Welt zu vermitteln und die allgemeine Form des Lebens ist dasjenige, was die Eigenschaften dieser Vermittlung beschreibt.
§ 29. Das Schillern des Dialektischen. Zur Natur dieses ersten Prinzips
Wollte man das Verhältnis zwischen Geist und Welt näher beschreiben, so würde man von solchem etwas sehr Sonderbares sagen müssen: dass die Begriffe Geist und Welt sich voraussetzen und nicht voraussetzen. Denn sie setzen sich insofern voraus, als Geist nicht ohne Welt, Welt nicht ohne Geist vorstellbar wird und sie setzen sich insofern nicht voraus, als Geist nur in Abgrenzung zu Welt, Welt nur in Abgrenzung zu Geist vorstellbar wird. Aber solchem Denken wohnt immer schon ein Schillern inne. Sagt man nämlich, dass Geist und Welt sich voraussetzen, wodurch ihnen eine Einheit zugrunde liegen muss, weil Geist nicht ohne Welt, Welt nicht ohne Geist vorstellbar ist, so widerspricht man sich, weil sich in solchem Sprechen die Vorstellung einer Zweiheit kundtut. Sagt man hingegen, dass Geist und Welt sich nicht voraussetzen, wodurch ihnen eine Zweiheit zugrunde liegen muss, weil Geist nur in Abgrenzung zu Welt, Welt nur in Abgrenzung zu Geist vorstellbar ist, so widerspricht man sich ebenfalls, weil sich in solchem Sprechen die Vorstellung einer Einheit kundtut. Das Schillern, das solchem Denken innewohnt, gründet weder ganz in jener ersten Kraft, die ineinander führt, noch gründet sie ganz in jener zweiten Kraft, die auseinander führt. Sie gründet in dem Dialektischen, das zwischen diesen Kräften vermittelt.