§ 88. Weshalb das Computerspiel genaugenommen gar nicht existiert. Über die Unmöglichkeit, für all die mannigfaltigen Erscheinungen, welche jene Wissenschaft beschäftigen, einen geeigneten Begriff zu finden

Damit ist die Begriffskritik nicht abgeschlossen. Worin sie mündet, ist die Einsicht, dass das Computerspiel genau genommen gar nicht existiert. Denn dasjenige, was erscheint, kann durch die Auffassung, es sei ein Computerspiel, nicht nur nicht hinreichend begreiflich werden, der Anspruch des Begriffs selbst, in jenem, was erscheint, eine Einheit zu erkennen, ist unmöglich. Es existiert kein Computerspiel. Was existiert, ist eine Mannigfaltigkeit von Erscheinungen, für die es nicht bloß noch keinen Begriff gibt, sondern für die es keinen Begriff geben kann, es sei denn einen allgemeinsten, mithin leeren Begriff.

§ 89. Das Ziel der Begriffskritik

Wonach die Begriffskritik letztlich strebt, ist der Ausbruch aus einer Dogmatik, die einerseits behauptet, dass etwas allein so ist, die andererseits behauptet, dass etwas allein so sein muss. Was sie ihr entgegensetzt, ist einerseits, dass etwas gerade nicht allein so ist, ist andererseits, dass etwas bloß so sein kann. Hiermit macht sie den Blick frei für ein offenes, noch unentdecktes Land, dessen Reichtum jener unentfalteter Möglichkeiten ist.

§ 90. Die zwei Formen des Fragens jener jungen Wissenschaft nach der Wirklichkeit und nach der Möglichkeit jener Erscheinungen

Ist nach einer Begriffskritik die Freiheit des Blicks wiedererlangt und hiermit die erste Aufgabe jener jungen Wissenschaft erledigt, so treten die beiden strikt zu trennenden Hauptfragen jener Wissenschaft hervor, die Frage nach der Wirklichkeit jener mannigfaltigen Erscheinungen und die Frage nach deren Möglichkeit, genauer: welcher der unendlichen Möglichkeiten der Vorzug gegeben werden solle. In letzterer Frage zeigt sich nebst dem Umstand, dass sie ihren Gegenstand nicht widerspruchsfrei bestimmen kann, eine weitere Besonderheit jener jungen Wissenschaft: dass sie nicht bloß Wirklichkeit beschreibt, sondern nach dessen Möglichkeiten fragt, wodurch ihr letztlich eine gestalterische Aufgabe zukommt, fast so wie dem Bildhauer, der aus dem unbearbeiteten Stein alles herausschlägt, was seiner Vision nicht zuwächst.

§ 91. Der Ursprung und die Bedeutsamkeit der ersten Frage dieser Betrachtungen nach einer Zehnten Kunstform

Man könnte im Computer das bedeutendste technische Medium des 21. Jahrhunderts sehen, ja aufgrund seiner sonderbaren Form, der Form eines Allgemeinen, unter welcher beinahe alles erscheinen kann, sogar behaupten, dass es das letzte technische Medium ist, das der Mensch erfinden wird. Diese Betrachtungen sind folglich nichts anderes als Ausdruck eines Bemühens, sich eine diesem Medium entsprechende Kunstform, aber nicht irgendeine Kunstform, sondern die Kunstform des 21. Jahrhunderts zu denken. Aber weshalb die Frage nach einer Kunstform? Weil die Bestimmung des Lebens als dasjenige, wodurch und wozu es bestimmt ist, in der Entdeckung liegt und die Kunst die höchste Manifestation solcher Entdeckung, die das Wahre, Schöne und Gute in concreto sucht, darstellt. Denn es gibt weder etwas, das über das Wahre, Schöne und Gute hinausginge, noch etwas, wonach man sich an dessen Stelle richten könnte. Darin liegt der Ursprung und die Bedeutsamkeit der ersten und letzten Frage dieser Betrachtungen, ob sich eine Kunstform denken ließe, die zur Grundlage den Computer hat. Der Zweck dieser Betrachtungen liegt folglich darin, eine Antwort auf die zweite Frage jener jungen Wissenschaft zu geben, welcher der unendlichen Möglichkeiten jener Erscheinungen der Vorzug gegeben werden solle. Die Antwort lautet: der Möglichkeit einer Zehnten Kunstform.

§ 92. Der Entwurf einer Zehnten Kunstform als die zweite Aufgabe jener Wissenschaft. Das Wahre, Schöne und Gute als Kriterien dieses Entwurfs

Die Antwort auf die zweite Frage jener jungen Wissenschaft besteht in der Bestimmung der Form, welche die Zehnte Kunstform annimmt. Diese Antwort besteht in einem begrifflichen Entwurf derselben. Ein solcher Entwurf bedarf der Kriterien, die einen brauchbaren Maßstab zur Beurteilung des Entwurfs abgeben und Teil eines Systems sind, aus welchem nicht bloß die Notwendigkeit dieser Kriterien im Einzelnen, sondern auch die Natur des Verhältnisses, das sie zueinander eingehen, einsichtig werden können. Diese Kriterien sind das Wahre, Schöne und Gute, genauer: die Bedingung, dass in dem Entwurf der Zehnten Kunstform zugleich ein Wahres, Schönes und Gutes hervortrete.