§ 110. Die Erzählung gründet im Leben, nicht das Leben in der Erzählung

Die erzählerische Funktion ahmt das Leben nach, aber das heißt nicht, dass sie solches selbst ist. Erzählungen sind Kunstwerke und Kunstwerke lassen stets nur Teile eines Ganzen hervortreten. Als Teile eines Ganzen gründen sie in diesem Ganzen und nicht umgekehrt. Das Leben existierte, bevor man sich Geschichten erzählte und aus dem Geschichtenerzählen eine Kunstform machte. Deshalb ist die Auffassung, dass das Leben eine Geschichte sei, irreführend. Die Lebensgeschichte ist vielmehr etwas, das wir aus dem Leben machen, damit dass wir von ihm erzählen und somit einer gestalterischen Ordnung unterwerfen.