§ 56. Das Wahre, Schöne und Gute als etwas, das aus der Entdeckung des Göttlichen hervorgeht

Wenn ein Wahres oder Schönes oder Gutes zu Tage tritt, so fasst man ein solches als etwas auf, das von absolutem Wert ist. Doch das Wahre oder Schöne oder Gute ist nicht etwas, das an sich gegeben wäre. Es geht aus der Entdeckung des Göttlichen als dem Nachvollzug der zweifachen Bewegung des Dialektischen hervor, wobei das Wahre als der Widerschein der Entdeckung des Göttlichen auf dem Pfad des Geistigen, das Schöne als der Widerschein der Entdeckung des Göttlichen auf dem Pfad des Sinnlichen, das Gute als der Widerschein der Entdeckung des Göttlichen auf dem Pfad des Wirklichen begreiflich wird. Der absolute Wert des Wahren oder Schönen oder Guten gründet folglich in der Entdeckung des Göttlichen, so dass man im Gegenteiligen eines Wahren oder Schönen oder Guten das Ergebnis einer Beeinträchtigung dieser Entdeckung sehen kann. Die Entdeckung des Göttlichen als Nachvollzug der zweifachen Bewegung des Dialektischen liegt dem Leben als einer Vermittlung von Geist und Welt zugrunde, denn sie stellt sicher, dass der Geist an der Welt und die Welt am Geist teilhat. Diese Vermittlung findet ihre Vollendung darin, dass sowohl der Geist als auch die Welt gleichermaßen geben und empfangen. So tritt das Wahre als Ergebnis einer Vermittlung von Geist und Welt, das Schöne als Ergebnis einer Vermittlung von Wahrnehmung und Wahrgenommenem, das Gute als Ergebnis einer Vermittlung meines Tuns und dem Tun der anderen hervor.

§ 57. Worin das Verhältnis jeder Verhältnisform besteht

Das Leben ist die erste und letzte Verhältnisform. Das Verhältnis, das es eingeht, ist dasjenige von Geist und Welt. Das Verhältnis, das Geist und Welt eingehen, ist dasjenige von Subjekt und Objekt. Da das Leben die erste und letzte Verhältnisform ist, liegt allen anderen Verhältnisformen dasselbe Verhältnis, das Verhältnis von Subjekt und Objekt zugrunde.

§ 58. Geist und Gegenstand

Unter dem Begriff der Welt als eines Objekts kann man sich all jenes denken, zu dem sich der Geist als ein Subjekt verhält, mithin alles, was im Sinne eines Entgegenstehenden Gegenstand werden kann. Unter dem Begriff des Geistes als eines Subjekts kann man sich etwas denken, das die Welt als ein Objekt, mithin alles, was im Sinne eines Entgegenstehenden Gegenstand werden kann, durchdringt. Der Geist bedarf eines Gegenstands, um eine Gestalt anzunehmen, aber er nimmt nicht irgendeine Gestalt an, die Gestalt ist ihm durch den Gegenstand, den er durchdringt, gegeben. Trifft der Geist auf einen Gegenstand, mithin Welt, so ist die Vermittlung von Geist und Welt in Gang gesetzt und das Ergebnis dieses Vorgangs kann in einem allgemeinen Sinne, in dem Sinne einer Verhältnisform, als ein Medium begreiflich werden, dessen Charakter durch den Gegenstand bestimmt wird.

§ 59. Artefakte als Werkzeuge der Entdeckung

Ich will zwischen zwei Arten von Gegenständen unterscheiden: natürliche Gegenstände, die ihren Ursprung in der Natur haben und künstliche Gegenstände, die ihren Ursprung im Menschen haben. Der ausgezeichnete Status künstlicher Gegenstände, nachfolgend Artefakte genannt, besteht darin, dass sie sowohl herstellbar als auch formbar sind. Dass Artefakte herstellbar sind, bezeichnet den Umstand, dass sie in der Natur weder vorkommen noch dass die Natur sie herstellen kann: z.B. ein Bildwerk. Dass sie formbar sind, bezeichnet den Umstand, dass man ihnen als Artefakte eine Form geben kann, z.B. die eines konkreten oder eines abstrakten Bildwerks. Dadurch, dass Gegenstände herstellbar und formbar werden, ist dem Menschen ein Werkzeug an die Hand gegeben, Verhältnisformen Gestalt zu geben. Damit ist erkannt, worin die Bedeutung von Artefakten liegt: Artefakte sind das Werkzeug der Entdeckung, mit welchem der Möglichkeitsraum, den Geist und Welt eröffnen, durchmessen wird.

§ 60. Das Medium im engeren Sinne als Substanzbegriff der Verhältnisform

Medien im engeren Sinne nennt man Verhältnisformen mit wiederkehrendem und daher wiedererkennbarem Charakter. Dass dieser Charakter und hierdurch die Verhältnisform ins Bewusstsein treten, verdankt er seiner relativ stabilen Einheit von Eigenschaften. Ein Beispiel wäre das Bild, das durch seine visuelle Darstellung und seine Rahmung eine in unserer Kultur allgegenwärtige Verhältnisform ermöglicht. Man könnte sagen, dass der Begriff des Mediums dem Bemühen des Verstandes entspringt, in das Chaos der Verhältnisformen Ordnung zu bringen, indem er wiederkehrende Verhältnisformen zusammenfasst. Doch damit ist erst eines von mehreren Kriterien genannt, vermöge welcher sich das technische Medium als eine unverwechselbare Art von Verhältnisform charakterisieren lässt.