§ 103. Worin das Bestimmungsparadox besteht. Der Streit um die Bestimmung eines Gegenstands und der gegebenen Welt

Die Natur des Problems, das hieraus erwächst, wird erst auf der Ebene der Begriffe einsichtig. Das Bestimmungsparadox erscheint in abstracto nämlich insofern, als es undenkbar ist, dass zwei Bestimmungskräfte denselben Gegenstand zugleich auf unterschiedliche Weise bestimmen. Es ist von Bedeutung, dass hier der Gegenstand als ein Entgegenstehendes (§ 58) gemeint ist, mithin etwas, das einer gegebenen Welt angehört. Die vorgestellte Welt kann wie der Geist niemals Gegenstand werden, sie ist vielmehr dasjenige, was aus dem Wechselspiel von Gabe und Empfängnis vermöge des Geistes und innerhalb desselben hervorgeht. Die gegebene Welt kann stets nur auf eine Weise bestimmt sein, so wie ein literarisches Werk, das als Gegenstand unzweideutig bestimmt ist durch das Paradigma und Syntagma seines Textes.

§ 104. Der Eintritt des Krieges in den Bestimmungsvollzug

Der Bestimmungsvollzug der Zehnten Kunstform betrifft zunächst einmal die Gestalt der gegebenen Welt. Der Mensch ist in das Kunstwerk, das zur Welt geworden ist, eingetreten und erhebt Anspruch darauf, solcher Gestalt zu geben. Damit aber tritt der Krieg in den Bestimmungsvollzug. Dass der Wille zur Macht die Triebfeder und die Überwältigung der Welt das Ziel dieses Bestimmungsvollzugs sind, ist eine natürliche Folge dieses Umstands.

§ 105. Das Computerspiel als Synthese von Spiel und Erzählung und der Traum einer neuen Einheit von Freiheit und Form

Dass das Bestimmungsparadox beim Computerspiel so stark in den Vordergrund tritt, liegt daran, dass es zwei Ansprüchen genügen muss: sowohl Spiel als auch Erzählung zu sein. Die Schwierigkeit einer Synthese dieser beiden kulturellen Paradigmen besteht darin, dass das Spiel dahin strebt, dass man einen Gegenstand bestimmt, während die Erzählung dahin strebt, dass sie einen Gegenstand bestimmt. Die Erwartung, dass ein Kunstwerk beiden Ansprüchen gerecht werden müsse, stellt sich hier in einer bisher nicht dagewesenen Radikalität, die letztlich in der Hoffnung gipfelt, eine neue Einheit von Freiheit und Form zu gewinnen.

§ 106. Der Computer als universales Ausgabegerät

Doch wie kam es eigentlich zu dem Anspruch, dass das Computerspiel eine Erzählung sein oder zumindest erzählerische Elemente enthalten müsse? Ein erster Grund kann im zugrundeliegenden Medium und dessen sonderbarer Natur gefunden werden. Der Computer kann Grundlage jeder anderen Kunstform werden in dem Sinne, dass er die Bedingungen bereitstellt, unter welchen die Kunstwerke erscheinen können. Der Computer kann und wurde folglich als ein universales Ausgabegerät gesehen, welches dadurch, dass es Kunstwerke erscheinen lässt, als etwas wahrgenommen wird, das in der Tradition der Kunst steht, woraus der Anspruch erwächst, dass es dasjenige, was es erscheinen lässt, einer gestalterischen Ordnung unterwirft.

§ 107. Die Funktion der Erzählung

Doch was ist es, das die Erzählung einer gestalterischen Ordnung unterwirft? Das Leben als eine zeitliche Folge von Handlungen. Handlungen gehen Absichten und Absichten gehen Handlungsgründe voraus, aber was Handlungsgründen vorausgeht, ist das Leben als ein Geflecht unüberschaubarer Umstände, in das Handlungsgründe eingebettet sind und aus dem heraus sie erst Gestalt gewinnen. Eine bedeutende Funktion der Erzählung bestand seit jeher darin, dieses Geflecht einer gestalterischen Ordnung zu unterwerfen und Handlungen damit einen Sinn und eine Einheit zu geben.