§ 3. Entsprechung und Bestimmung

An der ursprünglichen Formulierung der Frage ist insofern eine weitere Veränderung eingetreten, als nun nach einer Entsprechung gefragt wird. In solcher Frage tritt der Gedanke hervor, dass etwas durch dasjenige und zu demjenigen bestimmt ist, das ihm zugrunde liegt. Übertragen auf die Frage, die ich diesen Betrachtungen vorangestellt habe, würde das heißen, dass eine Kunstform auf der Grundlage des Computers erst damit zu ihrer Bestimmung kommt als demjenigen, wodurch und wozu sie bestimmt ist, als sie dem, was ihr zugrunde liegt, entspricht. Denkt man an den Computer als Form eines Allgemeinen, dann kann man folgern, dass die Frage nach solch einer Entsprechung sich für keine andere Kunstform mit so viel Nachdruck stellt wie für diese Kunstform, und zwar gerade deshalb, weil ihr die Form eines Allgemeinen zugrunde liegt, unter welcher beinahe alles erscheinen kann, aber dass sie zugleich und aus demselben Grund für keine andere Kunstform so schwierig zu beantworten ist.

§ 4. Die Zehnte Kunstform

Jene Kunstform, welche der Form eines Allgemeinen entspricht, will ich die Zehnte Kunstform nennen. Mache ich von diesem Begriff Gebrauch, so geschieht dies nicht in der Absicht, Behauptungen darüber aufzustellen, ob es eine bestimmte Anzahl Kunstformen gebe und welche darunter zu rechnen seien. Vielmehr soll jenem sonderbaren Gedanken Ausdruck verliehen werden, wonach es eine Kunstform gibt, die sämtliche anderen Kunstformen zu beherbergen vermag, dergestalt, dass jede innerhalb jener erscheinen kann. In der Numerologie heißt es, die 10 sei diejenige Zahl, die sämtliche anderen Zahlen enthalte, deren Grundlage bilde und die Gesamtheit aller Möglichkeiten repräsentiere. Auf diese Vorstellung einer höchsten Allgemeinheit, welche die Formbedingungen sämtlicher Kunstformen unter sich fasst, spiele ich mit dem Begriff einer Zehnten Kunstform an. Die Frage, mit der wir uns befassen, könnte somit auch lauten, ob sich so etwas wie eine Zehnte Kunstform denken ließe?

§ 5. Die allgemeine Form des Lebens als diejenige Form eines Allgemeinen, in welcher die Zehnte Kunstform ihre Entsprechung findet

Wonach kann sich eine Entsprechung richten, wenn sie sich nach der Form eines Allgemeinen richten soll? Die Antwort, die ich auf diese Frage geben möchte, lautet: die allgemeine Form des Lebens. Mit diesem Begriff bezeichne ich die formalen Eigenschaften des Lebens als ein Verhältnis, das zwischen Geist und Welt als dessen erste und letzte Bedingungen aufgespannt wird. Zu leben bedeutet, dass man dieses Verhältnisses teilhaftig ist, und zwar als einer Vermittlung zwischen Geist und Welt, die ihrem Wesen nach Vollzug ist.

§ 6. Die allgemeine und besondere Form des Lebens

Der Vorrang des Lebens vor der Kunst. Leben wir, so sind wir eines Vermittlungsvollzugs zwischen Geist und Welt teilhaftig. Dies bedeutet, dass alles, was wir tun, empfinden und denken, eine Form des Lebens ist. Eine ausgezeichnete Form des Lebens ist die Kunst. Sie kann, wie jede andere Form des Lebens auch, dem Allgemeinen oder Besonderen zustreben und wie jede andere Form des Lebens auch vermag sie niemals an die Stelle des Lebens selbst zu treten, dessen bloße Konkretion sie ist.

§ 7. Das Wirkliche als erste Eigenschaft der Welt

Der Mensch hatte sich die Natur schon immer dadurch begreiflich zu machen versucht, dass er sie in Artefakten nachahmte. Die Kunstwerke der Malerei hatten jahrhundertelang als Maßstab dafür gegolten, wie man sich die Welt vorzustellen habe, weshalb zur Vorstellung der Welt zunächst dasjenige gehörte, was sich zeigen konnte: Objekte und deren Eigenschaften. Es gibt jedoch etwas, das noch vor dem, was sich zeigt, zu liegen kommt, etwas, das so grundlegenden Charakters ist, dass man sich seiner kaum mehr bewusst ist. Ich meine damit den Umstand, dass alles im Gange ist. Die deutsche Sprache hat der sonderbaren Natur dieser Erscheinungen in dem Wort Wirklichkeit Rechnung getragen, worin zugleich der Rang eines solchen Seienden deutlich wird: Dass alles wirkt und wirken lässt, ist die erste Eigenschaft der Welt.