§ 94. Die drei Fragen, welche der Entwurf einer Zehnten Kunstform beantworten muss

Die Kriterien jenes Entwurfs lassen sich zu drei Fragen umformulieren. Die erste Frage, die Dimension des Wahren umgreifend, lautet: Inwiefern vermag die Form, welche dem begrifflichen Entwurf einer Zehnten Kunstform zugrunde liegt, der Form ihres Mediums, mithin der Form eines Allgemeinen zu entsprechen? Die zweite Frage, die Dimension des Schönen umgreifend, lautet: Inwiefern vermag die Form, welche dem begrifflichen Entwurf einer Zehnten Kunstform zugrunde liegt, eine Grundlage abzugeben für die Kunst? Die dritte Frage, die Dimension des Guten umgreifend, lautet: Inwiefern vermag die Form, welche dem begrifflichen Entwurf einer Zehnten Kunstform zugrunde liegt, von Wert zu sein für das Leben?

§ 95. Inhaltliche und formale Kriterien dieser Fragen. Die Gliederung des Entwurfs in drei Teile

Diese Fragen formulieren inhaltliche Kriterien für die Einzeluntersuchungen, die den Entwurf einer Zehnten Kunstform in drei Teile gliedern. Zugleich formuliert das System dieser Fragen ein formales Kriterium für den Entwurf als Ganzes. Denn auf die Fragen im Einzelnen müssen nicht bloß überzeugende Antworten gefunden werden, diese Antworten bedürfen als Ganzes einer inneren Geschlossenheit. Die Fragen stehen nämlich nicht für sich allein, sie bilden eine Einheit, weshalb auch die Antworten zu einer solchen Einheit, einer solchen inneren Geschlossenheit finden müssen, um den Anforderungen der Untersuchung zu genügen.

§ 96. Die Auffassung dieser Betrachtungen ist, dass die Bestimmung der Zehnten Kunstform in der allgemeinen Form des Lebens zu finden ist

In der allgemeinen Form des Lebens sehe ich jene Form der Zehnten Kunstform verwirklicht, vermöge welcher zugleich ein und ihr Wahres, Schönes und Gutes hervortritt. Aber damit sind jene Fragen nicht beantwortet und der Entwurf einer Zehnten Kunstform nicht abgeschlossen, denn sie fragen ja, inwiefern durch eine Formbestimmung ein und ihr Wahres, Schönes und Gutes hervortrete.

§ 97. Die Beantwortung der ersten Frage als Beantwortung jener Fragen, die das Bestimmungsparadox aufwirft

Inwiefern vermag die Form, welche ich dem begrifflichen Entwurf einer Zehnten Kunstform zugrunde lege, die allgemeine Form des Lebens der Form ihres Mediums, mithin der Form eines Allgemeinen zu entsprechen? Auf diese Frage habe ich eine vorläufige Antwort gegeben. Die allgemeine Form des Lebens entspricht ihrem Medium insofern, als sie die Form eines Allgemeinen schlechthin annimmt. Es existiert eine weitere Reihe von Argumenten, aber das Bedeutendste besteht darin, dass die allgemeine Form des Lebens einen Lösungsansatz für jenes Bestimmungsparadox bereithält, das sich in abstracto auf der Ebene der Begriffe, wie auch in concreto auf der Ebene der Erscheinungen manifestiert. Eine Antwort auf die erste Frage zu finden, heißt folglich auch, eine Antwort zu finden auf die Fragen, welche das Bestimmungsparadox aufwirft.

§ 98. Bestimmungsmacht, Bestimmungskraft, Bestimmungsvollzug

Solches manifestiert sich in concreto in der ersten und letzten Frage, die sich der Zehnten Kunstform stellt: Welche Handlungen ermöglicht sie, welche Handlungen ermöglicht sie nicht? Anders formuliert: Wie viel Bestimmungsmacht erhält der Rezipient, wie viel Bestimmungsmacht erhält das Kunstwerk? Wir haben es folglich mit der Teilhabe zweier Bestimmungskräfte an einem Bestimmungsvollzug zu tun. Das Bestimmungsparadox erscheint in concreto als etwas, das eine Aufteilung der Bestimmungsmacht nicht bloß notwendig, sondern auch schwierig macht, weshalb eine solche Aufteilung, wenn sie glückt, zu den bedeutendsten Leistungen des Kunstwerks gezählt werden kann.