§ 37. Das Leben als allumgreifendes Medium, die technischen Medien als Binnenmedien

Über das Leben als Medium kann zunächst Folgendes gesagt werden. Erstens, dass es eine Verhältnisform ist, aber nicht irgendeine, sondern jene, die allen übrigen Verhältnisformen zugrunde liegt, jene von Subjekt und Objekt, und zweitens, dass ihm die zweifache Bewegung des Dialektischen zugrunde liegt. Im Leben als dem allumgreifenden Medium gründet somit das Wesen des Medialen selbst als dasjenige, was allen technischen Medien erst die Möglichkeit verschafft, Medien zu sein: die Verhältnisform und die zweifache Bewegung des Dialektischen. Wie bereits angedeutet (§ 21), liegt die Bedeutung einer Wende zum Leben darin, alles, was innerhalb des Lebens erscheint, auf solches selbst, auf seine allgemeine Form hin als dem solcher Erscheinung Zugrundeliegenden zu untersuchen. Die vorangehenden Betrachtungen leisten genau dieses, denn sie geben eine Antwort auf die Frage, inwiefern das Leben die Grundlage für ein Begreifen dessen hergibt, was technische Medien als Medien sind.

§ 38. Der Charakter einer Verhältnisform als Einheit von dessen Gestalt und Umfang

Jedes Medium ist eine Verhältnisform und als eine Verhältnisform lässt sie sich charakterisieren. Die beiden maßgeblichen Kriterien, in welche sich die nachfolgende Methode einer Charakterisierung von Verhältnisformen gliedert, lassen sich kategorial als Kriterien der Qualität und Quantität begreifen, welche in der Verhältnisform jedoch insofern eine Einheit bilden, als Ersteres nicht ohne Letzteres, Letzteres nicht ohne Ersteres vorzustellen ist. Das erste Kriterium, dasjenige der Qualität, beschäftigt sich mit dem Ort, welchen die Verhältnisform zwischen Geist und Welt einnimmt, und bestimmt deren Gestalt aus dem Verhältnis, das die Verhältnisqualitäten des Wirklichen, Sinnlichen und Geistigen zueinander eingehen. Das zweite Kriterium, dasjenige der Quantität, beschäftigt sich mit dem Ort, welchen die Verhältnisform zwischen dem Allgemeinen und Besonderen einnimmt, und bestimmt deren Umfang. Folglich hat jede Verhältnisform sowohl eine Gestalt als auch einen Umfang und die Einheit dieser Größen bestimmt den Charakter einer Verhältnisform, mithin dessen Einzigartigkeit. Hiermit ist ein erstes, wenngleich primitives Werkzeug zur systematischen Beschreibung der bedeutsamsten formalen Eigenschaften bestehender Verhältnisformen an die Hand gegeben.

§ 39. Das Wirkliche, Sinnliche und Geistige als die elementaren Verhältnisqualitäten

Zum Kriterium der Qualität. Jeder Verhältnisform, ganz einerlei, welche Gestalt sie annimmt, kommen drei Verhältnisqualitäten zu. Ihren Ursprung haben diese Qualitäten in Geist und Welt als den ersten und letzten Bedingungen. Ich möchte diese drei elementaren Verhältnisqualitäten das Wirkliche, das Sinnliche und das Geistige nennen. Der Begriff des Geistigen lässt deutlich werden, dass diese Verhältnisqualität im Geist gründet, während das Wirkliche und das Sinnliche als eine Einheit gedacht werden müssen, die in der Welt gründet. Alle drei Qualitäten sind Qualitäten von Verhältnisformen. So wird das Sinnliche natürlich erst als Ergebnis eines Verhältnisses von Geist und Welt vorgestellt, das aber dennoch in der Welt, in der Gestalt, in der sie uns erscheint, gründet.

§ 40. Zu dem Modellcharakter nachfolgender Betrachtungen zur Verhältnisform

Dieses Modell stellt eine starke Vereinfachung dar, was man alleine daran sieht, dass unter den Begriff des Geistigen alle uns vorstellbaren Geisteskräfte fallen, folglich auch das Vermögen, Gefühle und Vorstellungen zu haben. Aber diese Vereinfachung dient der Erkenntnis, und zwar insofern, als die Vorstellung, die solch einem Modell zugrunde liegt, erst dadurch Gestalt gewinnt, dass man sich über das gesamte Feld, das vor einem liegt, einen Überblick verschafft. Es geht mir nachfolgend also weniger um eine Untersuchung dieser Qualitäten im Einzelnen, als um deren Ganzes.

§ 41. Das Wirkliche, Sinnliche und Geistige als die drei Dimensionen des Lebens

Ich sehe nämlich gerade in diesen Qualitäten die drei Dimensionen des Lebens entfaltet. Für eine solche Einteilung steht die Geschichte der Philosophie selbst Modell. So lassen sich Kants Kritiken, die Bausteine seines philosophischen Systems, diesen drei Qualitäten zuordnen, aber bereits bei Platon zeichnet sich eine ähnliche Dreiteilung ab in der Vorstellung dreier höchster Ideen, der Idee des Wahren, der Idee des Schönen und der Idee des Guten. Denn das Wahre ist vornehmlich eine Kategorie des Geistigen, das Schöne vornehmlich eine Kategorie des Sinnlichen und das Gute vornehmlich eine Kategorie des Wirklichen.