Dieser Bildschirm kommt ohne Atome aus

Mark Zuckerberg zeichnet diese Vision seit vielen Jahren: Eines Tages werden wir schicke AR-Brillen tragen, die Hologramme in die Welt projizieren und Objekte ersetzen, die nicht unbedingt in physischer Form existieren müssen. Dazu könnte auch jede Art von Bildschirm gehören.

Mit Quest 3, dem ersten erschwinglichen Mixed-Reality-Headset, geht Meta den ersten Schritt in diese Richtung. Das Gerät fängt die physische Umgebung mit Sensoren ein und reproduziert sie in digitaler Form auf den Displays, wo sie beliebig manipuliert und erweitert werden kann. Zum Beispiel um virtuelle Bildschirme, die bei Bedarf in der wirklichen Umgebung verankert werden können. Etwa an der Wand oder in der Nische, wo der physische Fernseher steht.

Diese Art digitaler Mischrealität ist noch weit von Alltagstauglichkeit entfernt. Quest 3 ist ein schweres Headset, keine Brille und die Auflösung und Darstellungstreue der reproduzierten physischen Welt ist längst nicht perfekt. Und dann wäre noch die Software selbst, die Zuckerbergs Vision hinterherhinkt.

Der US-Entwickler Thomas Ratliff kann an den ersten beiden Dingen nichts ändern, aber mit ein paar Software-Tricks hat er einen virtuellen Bildschirm geschaffen, der schon jetzt täuschend echt wirkt. Auf Twitter zeigt er einen Mixed-Reality-Screen, der Global Illumination und Reflexionen in Echtzeit unterstützt. Man beachte, wie der Bildschirm nahe Oberflächen realistisch erhellt und wie sich das Bild auf dem Tisch spiegelt.

Zwei Einschränkungen hat die Techdemo: Zum einen wird der Bildschirm laut Ratliff auf einem PC und nicht nativ auf Meta Quest 3 gerendert. Zum anderen handelt es sich nur um einen Videoplayer, keinen Nintendo-Switch-Emulator oder eine andere App, die Spiele in Echtzeit rendert.

Ratliff schreibt auf Twitter, dass er sein Programm möglicherweise weiterentwickeln und in Metas App Lab oder auf Sidequest veröffentlichen will. Möglicherweise kommt ihm auch jemand zuvor. Schließlich gibt es bereits eine Reihe von Videoplayer-Apps für Meta Quest 3. Die äußerst beliebte App Virtual Desktop, mit der man den PC-Bildschirm in das Headset streamen kann, unterstützt bereits die Passthrough-Ansicht. Auch Youtube VR könnte ein entsprechendes Feature bringen oder Meta selbst. All das ist nur eine Frage der Zeit und Schnittstellen-Unterstützung seitens Meta.

Ob realistische virtuelle Monitore Mixed-Reality-Headsets wie der Quest 3 und der kommenden Apple Vision Pro zum Durchbruch verhelfen werden, ist fraglich, aber ein unabdingbares Feature auf ihrem Weg zum ultimativen Display sind sie allemal.

Dieser Beitrag erschien am 30. Oktober 2023 bei MIXED.

Meta vs. Apple: Die Headset-Kriege haben begonnen

Sieben oder mehr Jahre arbeitete Apple im Geheimen an räumlichen Computern. Im Juni wurden die Früchte dieser Arbeit der Öffentlichkeit vorgestellt: Apple Vision Pro.

Eine der kontroversesten Design-Entscheidungen Apples war, die Batterie auszulagern, um Formfaktor, Gewicht und Wärmeentwicklung zu reduzieren. Der Nachteil ist, dass man das Headset per Kabel ans Netz anschließen oder einen Akku mit sich herumtragen muss. Eine Notlösung, die Apple-untypisch ist und von Meta jetzt genüsslich ausgeschlachtet wird.

Metas Quest-Headsets haben seit jeher alle Elektronik im Gehäuse verbaut. Ein Umstand, auf den CEO Mark Zuckerberg und CTO Andrew Bosworth bei der Vorstellung der Meta Quest 3 von vergangener Woche hinwiesen, mit den Worten, dass das Gerät vollkommen autark sei und keine Kabel oder externe Batterie benötige. Ein klarer Seitenhieb auf Apple.

Die beiden Unternehmen verfolgen die gleiche Gerätekategorie, aber mit sehr unterschiedlichen Produkt-, Markt- und Werbestrategien. Meta will möglichst viele Headsets unter die Leute bringen und peilt das beste Preis-Leistungs-Verhältnis an, während Apple die bestmögliche Nutzererfahrung im Auge hat und Preise aufruft, die für die meisten Menschen unerschwinglich sind. Meta Quest 3 kostet 500 US-Dollar, Vision Pro 3.500 US-Dollar.

Vision Pro leistet allerdings auch mehr und das in mehrfacher Hinsicht. Meta Quest 3 ist primär eine VR-Spielkonsole, Vision Pro ein eigenständiger Computer mit M2-Prozessor, der in Apples Ökosystem integriert ist. Hier klaffen Welten auseinander. Auf der anderen Seite wird Vision Pro nur bedingt für komplexere VR-Spiele geeignet sein, da es keine Controller unterstützt.

Meta Quest 3 und Apple Vision Pro. Zwei Headsets mit gegensätzlichen Produkt- und Marktstrategien. | Bild: Meta / Apple

Auch bei der Vermarktung gibt es große Unterschiede: Meta bewirbt Virtual Reality als körperlich aktives Medium, während die Menschen in Apples Werbung meistens bewegungslos in sterilen Räumen sitzen und Mikrogesten mit den Händen machen. Eine ganz andere, nüchternere und langweiligere Vision des Mediums.

Zuckerberg und Bosworth geben sich derweil unbeeindruckt von Apple Vision Pro. In einem Interview mit The Verge sagte Zuckerberg, dass das Produkt keine völlig neue Erkenntnis oder einen Durchbruch gebracht hätte, der Metas Bemühung zunichtegemacht und die Forschungsabteilung gezwungen hätte, zurück ans Reißbrett zu gehen. Er wolle das Produkt jedoch nicht abtun, „schließlich sei Apple sehr gut in solchen Sachen“. Bosworth wiederum meinte recht überheblich, dass er eine Vision Pro bauen könne, aber nicht wolle.

Würde man mich fragen, welche Strategie ich aktuell überzeugender und vielversprechender finde, dann würde ich Meta nennen. Vision Pro könnte in der dritten oder vierten Generation als Macbook-Ersatz taugen, sofern es Apple gelingt, den Formfaktor, das Gewicht und den Preis deutlich zu reduzieren. Meta Quest hingegen kann schon heute Millionen von Menschen erreichen und Entwickler ins Ökosystem holen, die mit der App-Entwicklung ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Das ist überlebenswichtig für die Technologie. Dennoch braucht es beide Ansätze: erschwingliche Headsets und Headsets, die die Grenzen des Möglichen verschieben, falls nötig zu einem hohen Preis.

Müssen Headsets erst etwas werden, das alle haben wollen, bevor sie zu etwas werden, das sich alle leisten können, wie Oculus-Gründer Palmer Luckey meinte? Das werden wir sehen. Womöglich treffen sich Metas und Apples Headsets eines Tages in der Mitte. Die Unternehmen sind Konkurrenten und Verbündete zugleich und arbeiten dem gleichen Ziel zu: eine Zukunft für räumliche Computer zu schaffen.

Dieser Beitrag erschien am 5. Oktober 2023 bei MIXED.

„Augments“ könnten verändern, wie man VR-Headsets nutzt

Meta kündigte Augments im Rahmen der Meta Connect 2023 an. Gemeint sind interaktive digitale Objekte, die dauerhaft im Raum verankert werden. Meta beschreibt das Mixed-Reality-Feature folgendermaßen:

„Stell dir vor, du hängst dein Lieblingskunstwerk an eine Wand oder ein Wetter-Augment auf deinen Schreibtisch, das dich vor einsetzendem Regen warnt und jedes Mal, wenn du dein Headset aufsetzt, erscheinen diese digitalen Objekte an denselben Stellen. Du wirst deinen Raum individuell gestalten können mit Augments wie Instagram Reels, Fotos oder Videos an der Wand oder Portalen, mit denen du schnell wieder in dein Lieblingsspiele eintauchen kannst.“

Ebenfalls geplant ist ein Radio, Beat-Saber-Trophäen und ein Portal für Metas VR-Fitness-App Supernatural. Augments erscheinen im Laufe des nächsten Jahres.

Beispielfoto von Augments. | Bild: Meta

Natürlich ist all das nicht neu. AR-Headsets wie Hololens und Magic Leap experimentierten schon vor Jahren mit räumlich persistenten Objekten und Augmented-Reality-Widgets. Doch mit Quest 3, dem ersten erschwinglichen Mixed-Reality-Headset, wird diese Idee weiter erforscht und konkretisiert werden.

Wir wissen bereits, dass Meta Quest 3 standardmäßig in den Passthrough-Modus startet und dass man von dort aus in vollimmersive VR-Apps und wieder zurück in die physische Umgebung springt. Das wird die Attraktivität von Augments steigern. Besonders dann, wenn controllerfreie Widgets und Minispiele entstehen, die den Aufenthalt in der Mixed Reality lohnenswert machen. Schließlich könnte man diese nutzen, ohne eine dedizierte App starten zu müssen und zugleich mit seinen Mitmenschen im physischen Raum verbleiben. Die Augments gehören auf jeden Fall zu den interessantesten neuen Möglichkeiten der Meta Quest 3.

Dieser Beitrag erschien am 28. September 2023 bei MIXED.

Foveated Rendering ist ein technisches Wunderwerk

Foveated Rendering leistet Phänomenales für Virtual Reality, wie man am Beispiel von No Man’s Sky sehen kann.

Die PSVR-2-Version des Spiels erhielt im August ein Update, das Unterstützung für Foveated Rendering brachte und der optische Unterschied ist riesig, wie ich kürzlich beim Ausprobieren selbst erleben durfte. War No Man’s Sky zuvor grob und unscharf, wirken die Planeten, Lebewesen, Raumschiffe und Gebäude jetzt so klar und majestätisch, wie sie sollten. Das Spiel ist über Nacht zum Vorzeigetitel der Playstation VR 2 avanciert.

Beim Foveated Rendering verfolgen Kameras in Echtzeit, wohin die Augen des Nutzers blicken. Dieser „foveale“ Blickbereich des schärfsten Sehens wird anschließend selektiv in einer höheren Auflösung gerendert, während die Peripherie mit niedrigeren Details dargestellt wird. Dies spart enorm Rechenleistung und erklärt, weshalb No Man’s Sky nun so viel besser aussehen kann. Die Nutzer bekommen von diesen Tricks in der Regel nichts mit.

Eine Planetenlandschaft in No Man’s Sky. | Bild: Hello Games

Die Implementierung in VR-Spiele ist kein Selbstläufer, weshalb viele PSVR-2-Titel die Rendertechnik gar nicht nutzen. Der Engine-Programmierer Martin Griffiths arbeitete laut eigenen Angaben vier Monate an der Integrierung in No Man’s Sky’s Grafik-Engine. In einem Twitter-Thread illustriert er, wie die GPU die Spielwelt bei der Anwendung von Foveated Rendering berechnet.

Betrachtet man den TV-Output des Spiels, so erkennt man die abfallende Auflösung des peripheren Blickbereichs. Der TV-Output stellt dar, was das rechte Auge sieht, in ein TV-kompatibles flaches Bild konvertiert. Griffiths zeigt nun, wie die von der GPU gerenderten Bilder tatsächlich aussehen, nämlich stark verzerrt, je nachdem, welchen Bereich der Spielwelt man fokussiert: etwa den Boden oder einen Balkon.

„Ich hoffe, dass diese echten Headset-Bilder verdeutlichen, warum das Foveated Rendering einen so großen Sprung in der Wiedergabetreue bringt: Der Grafikprozessor rendert die Details genau dort, wo sie benötigt werden, nämlich im Zentrum des Blickfokus“, kommentiert Griffiths. Alternativ kann man sich die Bilder auch hier ansehen.

Die GPU-Renderbilder. | Bild: Martin Griffiths

Playstation VR 2 ist das erste verbraucherorientierte VR-Headset am Markt, das Eye-Tracking und Foveated Rendering unterstützt. Dies ermöglicht detaillierte oder weitläufige Spielwelten in einer hohen Auflösung und flüssigen Bildwiederholrate. Neben No Man’s Sky nutzen auch Resident Evil 7, Horizon Call of the Mountain, Gran Turismo 7 und einige Indie-Titel die Rendertechnik.

Dabei war lange nicht klar, ob und wann die komplexe und fehleranfällige Technik ausgereift genug sein wird, um in Massenprodukten anzukommen. Meta führte sie nach etlichen Jahren der Forschung erst 2022 und auch nur für Quest Pro ein, mit guten, aber nicht überragenden Resultaten. Der Grund liegt darin, dass Quest Pro einen stark geforderten mobilen Chipsatz nutzt und Eye-Tracking Rechenleistung bedarf. Zumindest für autarke Headsets ist Foveated Rendering noch kein Gamechanger.

Dieser Beitrag erschien am 5. September 2023 bei MIXED.

Eine heilsame Katastrophe

Manche Katastrophen erweisen sich im Nachhinein als Glücksfälle, weil sie einen zur Besinnung bringen und eine wichtige neue Entwicklung anstoßen.

Ich hatte mich Anfang Sommer 2023 am Rücken verletzt und musste eine mehrmonatige Auszeit von meinem gewohnten Leben nehmen. Schmerzen beherrschten meinen Alltag. Das Stehen bereitete mir Schwierigkeiten und an Sitzen war nicht zu denken, sodass mein Tag hauptsächlich aus Liegen und kurzen Spaziergängen bestand. Arbeiten und Schreiben, Virtual Reality und Kinofilme, gesellschaftliche Ereignisse, lange Spaziergänge, Ausflüge und Sport: all dies war nicht mehr möglich. Alltägliche Verrichtungen wie Rasieren, Duschen, Einkaufen und Kochen musste ich über den Tag hinweg verteilen, weil ich nicht lange am Stück stehen konnte. Die einzigen schmerzfreien Formen der Zerstreuung waren Lesen und Musikhören.

Dass es überhaupt zu dem Unfall kam, lag daran, dass ich Signale meines Körpers ignorierte. Jetzt stand ich im Dienste meines Körpers, statt umgekehrt, horchte auf jeden seiner Wünsche und gehorchte in der Hoffnung auf schnellstmögliche Genesung. Aus Rücksicht auf meine Gesundheit und weil ich die Heilung nicht hinauszögern wollte, sah ich vom gesellschaftlichen Leben ab, das, wie mir bewusst wurde, meist mit längerem Stehen oder Sitzen verbunden ist. Außerdem war es schwer, anderen Menschen die Einschränkungen, unter denen man lebte, verständlich zu machen.

Die mehrmonatige Heilungsphase ging zum einen mit sozialer Isolation, zum anderen mit viel Freizeit einher. Weil ich meiner Arbeit und den meisten anderen Aktivitäten, die mich normalerweise von morgens bis spätabends auf Trab hielten, nicht oder nur sehr eingeschränkt nachgehen konnte, hatte ich plötzlich Zeit für andere Dinge, die ich viele Jahre vernachlässigt hatte und da es fast keine Möglichkeit der Zerstreuung für mich gab, war ich auf mich selbst zurückgeworfen. Ich hatte viel Muße und nutzte sie fürs Nachdenken, Lesen und die Gesellschaft mit mir selbst.

Gewohnt, meinem Tag und Körper stets das Maximum abzufordern, war ich zur strengen Ruhe und Schonung gezwungen. Und während dieser Zeit erkannte ich, dass Erholung mehr als Untätigkeit und ausreichend Schlaf bedeutete. Sie schöpfte aus der Stille und Einsamkeit, kreativer Arbeit und Auseinandersetzung mit geistigen Dingen, die einen herausfordern. Ich stöberte in alten Aufzeichnungen und setzte mich mit meiner Vergangenheit auseinander, nahm die Beschäftigung mit Themen auf, die mich während meines Studentenzeit faszinierten, belebte in Vergessenheit geratene Traditionen wieder und begann, hier und da, wieder über Dinge zu schreiben, die mich selbst betrafen.

All dies rief mir in Erinnerung, dass ein großes Glück in einem schlummert, ein Schatz, der nur darauf wartet, entdeckt und zutage gefördert zu werden und der, weil er von nichts und niemandem abhängt, einem jederzeit zu Gebote steht, sofern man sich seiner würdig erweist. Sich seiner würdig zu erweisen, heißt, diesem geistigen Leben aktiv nachzugehen, was Hingabe, Zeit und Geduld erfordert. Man geht eine Beziehung mit sich selbst ein, die, wie jede andere, steht und fällt, mit dem, was man für sie herzugeben bereit ist. Die Zeit, die man mit sich selbst verbringt, lässt sich nicht beschneiden oder aufschieben. Das Selbst merkt ebenso wie ein Partner, wenn es betrogen und vertröstet wird. Sich selbst zu begegnen, erfordert Muße und Mut.

Es muss so etwas wie eine höhere Weisheit des Körpers geben. Der eigene Leib übernimmt die Kontrolle, wenn man Gefahr läuft, sich aus den Augen zu verlieren und führt einen – nötigenfalls mit Gewalt – auf den rechten Pfad zurück. Und all dies geschieht, ohne dass wir uns der Ursachen, Vorgänge und Folgen bewusst sind.

Der Weg, den ich Sommer diesen eingeschlagen habe, wiegt den Schmerz und die monatelange Entsagung, die meine Verletzung verursachte, mehr als auf und ich würde diese Zeit niemals gegen einen anderen Verlauf der Dinge eintauschen wollen. Das meine ich, wenn ich sage, dass sich eine Katastrophe mitunter als Glücksfall erwiesen kann und empfinde große Dankbarkeit dafür. Es war nicht das erste Mal und wird mit Sicherheit nicht das letzte Mal sein.