Fast so scharf wie die Realität: Thomas Hübners VR-Filme

Immersive Foto- und Videografie ist noch immer eine Nische. Die Abspielgeräte, also VR-Brillen, sind längst nicht so weit verbreitet, dass es sich für Kamerahersteller lohnen würde, im großen Stil in die Technik zu investieren. Deswegen gibt es nur wenig wirklich gute und erschwingliche VR-Kameras am Markt. Die hochwertigeren Produkte sind meist teuer oder so kompliziert in der Anwendung, dass sie nur für Enthusiasten infrage kommen. Weil massentaugliche VR-Kameras am Markt fehlen, sind gute Inhalte überschaubar, was wiederum die breitere Aneignung der Technologie hemmt. Ein Teufelskreis, den die VR-Industrie allzu gut kennt.

Niedrig aufgelöste, verwaschene oder grobkörnige VR-Aufnahmen: Die dürften allen bekannt sein, die in den vergangenen zehn Jahren mit Virtual Reality in Berührung kamen. Dementsprechend schlecht ist der Ruf der VR-Foto- und Videografie. Das gilt besonders für das 360-Grad-Format, das meistens in monoskopischer Form, also ohne natürlichen Tiefeneindruck, daherkommt.

Ein von Thomas Hübner aufgenommenes Stereobild, das, durch die VR-Brille betrachtet, an Plastizität und Tiefeneindruck gewinnt. Ein altes Prinzip, das man vom jahrhundertealten Stereoskop genannt. | Bild: Thomas Hübner

Aber es geht auch anders. Als ich kürzlich in Meta Quest TV nach interessanten Inhalten stöberte, bin ich auf beeindruckend scharfe und hochwertige VR-Aufnahmen eines deutschen Hobbyisten gestoßen: Thomas Hübner. Seine Videos haben mein Interesse geweckt, weshalb ich mit Hübner Kontakt aufnahm.

Vier Videos haben es mir besonders angetan. Hierbei handelt es sich zum einen um bewegte Bilder, zum anderen um Slideshows hochauflösender VR-Fotografien:

Gerade von den Fotografien geht eine starke Suggestivkraft aus, die mich zu einer Neubewertung des immersiven Potenzials der immersiven Foto- und Videografie bewegt. Die Umgebung wirkt teilweise so echt, dass man die Hand nach ihr ausstrecken möchte. Was, wenn solch scharfe und lebensechte Aufnahmen eines Tages mit herkömmlichen VR-Kameras möglich wären?

Davon sind wir noch weit entfernt. Für die Bewegtbild-Aufnahmen verwendet Hübner eine Kombination aus Canons R5-Profikamera sowie dazugehörigem Canon-VR-Objektiv. Kostenpunkt: rund 6.000 Euro. Und mit der Aufzeichnung des Filmmaterials fängt die Arbeit erst an.

Hübners Stereokamera-Rig, das er für die beeindruckenden VR-Fotografien verwendet. | Bild: Thomas Hübner

Hübner nutzt für die Nachbearbeitung mehrere Schichten Software: für das stereoskopische Ausrichten und Zuschneiden, das Stitchen, Entrauschen und Schärfen des Bildmaterials. Für die Aufnahmen des Schlosses Pillnitz kam zudem ein Folienfilter zum Einsatz, um die Belichtungszeit pro Frame und Sonnenstrahlen im 3D Bild zu verlängern.

Die VR-Fotografien wiederum wurden mit einem Stereo-Kamerasystem Marke Eigenbau aufgenommen, bestehend aus zwei Olympus PEN-F, die jeweils das linke und rechte Bild einfangen. Dank Sensor-Shifting-Technologie beträgt die Auflösung der Fotografien im rohen Format rund 100 Megapixel pro Auge, weshalb die Bilder nachträglich herunterskaliert werden müssen. Auch hier kommen bei der Nachbearbeitung mehrere Programme zum Einsatz, darunter die KI-basierte Bildoptimierungslösung Topaz.

Hübner beherrscht sein Handwerk. „Ich erforsche die Kameraeigenschaften, so wie jeder Fotograf seine Kamera kennenlernen sollte. Ich finde heraus, was mir die Kamera mit welchen Einstellungen liefert und ob ich mit Filtern zwischen Objektiv und Sensor eine Verbesserung schaffen kann“, sagt er. „Mit aktueller Software und Hardware suche ich nach einem optimalen und effizienten Workflow, um zu einem sehenswerten Ergebnis zu kommen und im Videobereich alles über die Grafikkarten rendern zu können.“ Sein VR-Content sei „jeweils das Ergebnis des Erreichten aus der jeweiligen Technik, einhergehend mit der weiterentwickelten Computertechnik und Software.“

„Ich verbinde die Freizeit in der Natur mit den technischen Herausforderungen zur Qualitätsverbesserung. Beim Wandern ohne Kamera fehlt mir etwas“, sagt Thomas Hübner. | Bild: Thomas Hübner

Trotz aller Fachkenntnis: Hübner ist kein professioneller Foto- und Videograf und beschäftigt sich nur in seiner Freizeit mit immersiven Aufnahmetechniken. Die hat er sich in den vergangenen Jahren größtenteils selbst beigebracht, durch Ausprobieren und durch Unterstützung anderer Enthusiasten, die auf einschlägigen Plattformen ihre Erfahrungen austauschen.

Sein Hobby betreibt er seit 2010. Auslöser war der 3D-Boom, der jedoch schnell wieder abflachte. Als Google 2017 das VR180-Format einführte, rüstete Hübner seine Fuji-3D-Kamera zu einer 180-Grad-Kamera auf, indem er sie um Weitwinkellinsen und Weitwinkelkonverter erweiterte. In die VR-Videografie, also bewegte VR-Aufnahmen, stieg er vor knapp einem Jahr mit dem Erscheinen von Canons VR-Objektiv ein. Seine Slideshows und Videos lädt Hübner auf Meta Quest TV sowie die kostenlose VR-Videoplattform DeoVR hoch, das eine bessere Bildqualität bietet.

Hübners VR-Kamerasammlung. | Bild: Thomas Hübner

Für die Zukunft hofft Hübner auf günstigere 3D-Kameras für Privatanwender und ein erneutes Engagement seitens Google in das VR180-Format. Dann könne auch genügend hochwertiges Material für autarke VR-Brillen entstehen, das wiederum mehr Verbraucher anlockt. Auch bei Canon, das eine „sehr gute Lösung“ geschaffen habe, hofft Hübner, dass die Investitionen in Richtung VR weitergehen. Ihm ist aber auch klar, dass VR-Technik noch stärkere Verbreitung finden muss, bevor sich auch die VR-Fotografie weiterentwickeln kann. „Nur durch eine breite Nutzerbasis wird Virtual Reality für Privatanwender auf Dauer bestehen“, meint Hübner.

Seine Filme findet ihr in Meta Quest TV, indem ihr nach Thomas Huebner Dev sucht oder auf die Video-Links oben klickt. In der VR-App DeoVR findet ihr Hübners Kanal unter HuebiVR.

Dieser Beitrag erschien am 14. Januar 2023 bei MIXED.

Playstation VR 2 ist ein Schnäppchen

Einfachheit gewinnt und so spiele ich seit 2020 fast nur noch autark mit Meta Quest 2. Mache ich mir die Mühe, Air Link anzuwerfen, dann meistens, um das eine oder andere VR-Spiel in höherer Auflösung und schönerer Grafik zu spielen.

Das reicht, um Begehrlichkeiten zu wecken, den Wunsch nach leistungsfähigerer Technik. Mache ich einen Abstecher in die VR-Version von Himmelsrand oder City 17, dann erkenne ich das Potenzial eines Spielemediums wieder, das nicht durch mobile Chips zurückgehalten wird. Ein Wow-Erlebnis, das mit dem VR-Alltag schnell wieder in Vergessenheit gerät. PC-VR-Mods, die sich in letzter Zeit immer größerer Beliebtheit erfreuen, spiele ich kaum. Die sind mir zu frickelig oder schlicht zu leistungshungrig.

Apropos Leistung: Die letzte Grafikkarte, die ich gekauft habe, war eine GTX 970. Die bot anno 2016 ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis und öffnete mir das Tor zur ersten PC-VR-Spielewelle. Einer großzügigen Spende sei Dank, wurde ich später einer GTX 1080 TI habhaft, die die Lebensdauer meines betagten Rechners verlängerte.

Die Kombination aus PS5 und PSVR 2 ist preiswerter und besser als ein PC-VR-Setup. | Bild: Sony

Die Grafikkarten-Landschaft hat sich seither gewandelt. Mit dem Kryptowahn, der Chip-Krise und Nvidias Preispolitik haben Grafikkarten ein dauerhaft höheres Preisniveau erreicht. 2023 bekommt man, so scheint mir, weniger für sein Geld als 2016, und wer, wie ich, ein VR-Purist ist, der kaum mehr am PC-Monitor spielt oder arbeitet, sieht keine Dringlichkeit, sich eine Grafikkarte weit jenseits der 500 Euro zu kaufen. Zumal PC-VR stagniert und exklusive Titel eine Seltenheit geworden sind. 2016 war das anders: Steam war neben Playstation VR die führende VR-Plattform und das Nonplusultra für VR-Gaming.

Hier kommt Playstation VR 2 ins Spiel. Das VR-System könnte die Lücke füllen, die PC-VR hinterließ und High-End-VR für vergleichsweise wenig Geld bieten – gemessen an den Kosten eines neuen PCs und der Hardware, die Playstation VR 2 bietet. Welches PC-VR-fähige Headset kann für 600 Euro mit Features wie Eye-Tracking, einem kontraststarken OLED-Display und haptisch hochwertigen VR-Controllern aufwarten? Die Software sollte man ebenfalls nicht außer Acht lassen: Ich meine VR-Spiele wie Horizon Call of the Mountain, Resident Evil Village und viele mehr, die voraussichtlich PSVR2 vorbehalten sind.

Auch wenn ich eigens eine PS5 kaufen muss, komme ich noch immer besser weg, als in eine überteuerte Grafikkarte zu investieren, nur um alte PC-VR-Titel zu spielen. Natürlich behält PC-VR die unveränderlichen Stärken als Experimentier-, Modding- und Multimedia-Plattform. Aber in Anbetracht von Sonys Angebot frage ich mich, wie viele frustrierte PC-VR-Fans in Richtung Playstation VR 2 abwandern werden und was das langfristig für SteamVR bedeutet.

Dieser Beitrag erschien am 12. Januar 2023 bei MIXED.

Virtual Reality 2022: Ein Jahr zum Vergessen

2022 war ein schwieriges Jahr für die VR- und AR-Branche, trotz oder gerade wegen des Metaverse-Hypes. Doch 2023 macht Hoffnung.

Das VR-Jahr stand zweifellos im Zeichen von Facebooks Umbenennung und Umorientierung aufs Metaverse. Das Metaverse: Es ist ein mysteriöses Ding, das mannigfaltige Definitionen hat, teilweise schon existiert, teilweise weit entfernte Sci-Fi-Fantasie ist und VR oder AR nicht zwingend voraussetzt. Eine verwirrende Sache, dieses Metaverse. Nicht einmal Experten können sich darauf einigen, was es genau ist, geschweige denn die Konsumenten.

Nach einem anfänglichen Wirbel, der die Industrie regelrecht überflutete und unschöne Erinnerungen an 2016 weckte, ging dem Metaverse schnell die Puste aus. Die Metaverse-Begeisterung wich der Metaverse-Müdigkeit.

In einem Blogpost, in dem Metas Technikchef Andrew Bosworth aufs vergangene Jahr zurückblickt, fällt das M-Wort kein einziges Mal. Stattdessen hört man ihn nur noch von „der Zukunft“ reden. Eine Zukunft, die ein Jahrzehnt oder noch weiter entfernt ist und der die aktuelle Technik kaum gerecht werden kann. Womit sich die Frage stellt, ob Zuckerberg mit seiner Metaverse-Wette nicht zu früh dran ist. Weshalb so viel Aufhebens machen um etwas, das noch so weit weg ist und peinliche Vergleiche (Second Life und Co.) provoziert?

Für den wichtigsten Treiber der VR- und AR-Industrie war es das bislang schwierigste Jahr der Unternehmensgeschichte. Die starke Konkurrenz seitens TikTok, Apples App-Tracking-Maßnahmen, die allgemeine Wirtschaftslage und nicht zuletzt Zuckerbergs Metaverse-Obsession ließen Metas Aktie ins Bodenlose stürzen. Ein Umstand, der sich in gestoppten Projekten und Massenentlassungen entlud.

Zuckerbergs berühmt-berüchtigter Horizon-Worlds-Selfie. | Bild: Meta

Neben dem Kerngeschäft hatte Meta auch im VR- und AR-Bereich Rückschläge hinzunehmen. Metas Prestige-Projekt und schwach besuchtes Proto-Metaverse Horizon Worlds sorgte immer wieder für negative Schlagzeilen, zuletzt durch Zuckerbergs leblosen Avatar-Selfie, der Meme-Status erlangte und Meta auf Jahre hin verfolgen könnte. Eine geplante Expansion der virtuellen Welten in Richtung Smartphone und Browser wurde aufs nächste Jahr verschoben. Ein Gerichtsstreit mit der US-Wettbewerbsbehörde FTC, der Stopp eines wichtigen XR-Projekts und die Verschiebung von Metas erster AR-Brille ins Jahr 2026 waren weitere Tiefpunkte für Meta.

Trotz dieser Rückschläge: Zuckerberg hält weiter an der Metaverse-Vision fest und will langfristig in VR und AR investieren. Seine Überzeugung, dass ein neues Computerzeitalter kommt, ist nicht gespielt. Eine spontane Kehrtwende ist nicht zu erwarten. Dafür müsste Meta noch stärker ins Taumeln geraten als 2022.

Andere wichtige Akteure hätten VR und AR 2022 mittragen können, verzichteten aber größtenteils darauf. Playstation VR 2 wurde zwar endlich im Detail vorgestellt, aber der Launch ins nächste Jahr verschoben. Das französische Mixed-Reality-Headset Lynx R1 startet offiziell ebenfalls erst im Februar 2023 und mit fast einem Jahr Verspätung. Und was ist mit Apple? Das Mixed-Reality-Headset, dessen Erscheinen schon seit vielen Jahren prophezeit wird, soll nun 2023 vorgestellt werden, behaupten ein gut informierter Apple-Leaker und Lieferkettenanalyst. Darauf wetten würde ich allerdings nicht.

2022 hätte ein bombastisches Hardware-Jahr werden können. Die Geräte, die am Ende tatsächlich auf den Markt kamen, sind technisch hochinteressant, aber irrelevant für Verbraucher. Sie werden den Markt nicht entscheidend voranbringen. Das AR-Headset Magic Leap 2 kam im September auf den Markt, richtet sich an Unternehmen und machte beim Start kaum Schlagzeilen. Meta Quest Pro erhielt mehr Beachtung von der Presse, entpuppte sich jedoch als überteuertes Devkit, dem richtige Software und Anwendungen fehlen.

Meta Quest Pro läutete die Ära der Mixed-Reality-Headsets ein. Hier mit Controllern und Ladestation. | Bild: Meta

Viele Fragezeichen warf dieses Jahr Microsofts AR-Strategie auf. Im Februar machten Gerüchte die Runde, dass die Entwicklung von Hololens 3 gestoppt sei. Ein paar Monate später verließ Microsofts AR-Visionär und Hololens-Erfinder Alex Kipman das Unternehmen. Aber auch die Entwicklung der Militär-Hololens hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Immerhin: Ende des Jahres deutete Microsofts Vizepräsident für Mixed Reality an, dass ein Nachfolger zur Hololens 2 in Arbeit ist. Sehr überzeugend klingen diese Bekenntnisse allerdings nicht, zumal Microsoft-CEO Satya Nadella deutlich machte, dass Microsofts Metaverse-Schwerpunkt in Zukunft auf der Software liegt. Eine im Herbst angekündigte Software-Partnerschaft mit Meta passt in diesen Kontext.

Bis die Industrie fortschrittliche und zugleich schlanke AR-Brillen bauen kann, dürften noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen. Deswegen versucht sie es jetzt mit der Entwicklung von Mixed-Reality-Headsets. Der Formfaktor dieser Brillen hat große Vorteile, aber auch Nachteile gegenüber klassischen AR-Headsets mit transparenter Optik.

Die im Oktober 2022 erschienene Meta Quest Pro ist eine solche Mixed-Reality-Brille, von denen in den nächsten Jahren noch viele folgen dürften, darunter Apples erste XR-Hardware.

Eine gute Nachricht gab es dieses Jahr für deutsche VR-Nutzer und solche, die es werden wollen: Nach der Einführung von Meta-Kontos wagte sich Meta Ende des Jahres erneut auf den hiesigen Markt und startete mit dem Verkauf von Meta Quest 2 und Meta Quest Pro. Mit dem Launch der Pico 4 im Herbst standen deutschen Verbrauchern zum Weihnachtsgeschäft sogar zwei autarke VR-Headsets zur Auswahl – eine positive Marktentwicklung. Ein Jahr zuvor waren es null.

Im Sommer gab Meta interessante Einblicke in die VR-Forschung. Bis zur Marktreife der technischen Konzepte werden allerdings noch viele Jahre vergehen. | Bild: Meta

Zum Jahresende gab es noch eine weitere Überraschung: John Carmack verließ Meta endgültig. Die Programmierlegende war gut zehn Jahre in der VR-Industrie tätig gewesen, trug zum Wiederaufleben der Technologie bei und prägte diese maßgeblich dadurch, dass er autarker Virtual Reality den Weg ebnete: von Samsung Gear VR (2015) über Oculus Go (2018) bis zur Meta Quest (2019).

Sein Weggang markiert den endgültigen Abschluss der Ära Oculus: Zehn Jahre, in der VR-Hardware nach einer Gestalt suchte, die das Fundament für einen Mainstream-Erfolg legen könnte und sie fürs Erste im autarken Formfaktor fand. Die Frage ist jetzt, wie weit Meta und andere Hersteller es mit der Carmackschen Formel bringen können. Sein Abschied aus der VR-Industrie ist nicht der Anfang des Endes für VR, es ist das Ende ihres Anfangs.

Was die Industrie 2022 versäumte, könnte sie 2023 nachholen: Mit Playstation VR 2 und Meta Quest 3 starten gleich zwei Headsets für Konsumenten. Hoffentlich mit beeindruckender First-Party-Software, denn an dieser Front enttäuschten die letzten beiden Jahre. Wagt auch Apple endlich den Markteintritt, dann könnte VR und AR so viel Aufmerksamkeit bekommen wie schon seit 2016 nicht mehr.

Die Berichte um Apples Headset-Launch sollte man nicht überbewerten. VR und AR benötigen Apple mehr als Apple VR und AR. Die Branche steckt noch in den Kinderschuhen und Apple hat alle Zeit der Welt, in den Markt einzusteigen: Sogar das iPhone hat derzeit fortschrittlichere Augmented-Reality-Features als die 1.800 Euro teure Meta Quest Pro.

Selbst im optimalen Fall: Große Sprünge in der Branche darf man auch 2023 nicht erwarten. VR und AR werden langsam und organisch wachsen, letztere in Form von Mixed-Reality-Headsets. Auf diese Technologie und was Playstation VR 2 an Highend-VR-Erlebnissen bringen wird, freue ich mich am meisten.

Dieser Beitrag erschien am 29. Dezember 2022 bei MIXED.

Das iPhone ist eine Sackgasse für Metas AR-Pläne

Metas erste richtige, AR-Brille, das Kernstück von Zuckerbergs Metaverse-Vision und eine Geräteklasse, die Metas CEO als „heiligen Gral“ bezeichnet, soll nach aktuellen Berichten 2026 auf den Markt kommen. Vorausgesetzt natürlich, dass technische Herausforderungen diese Pläne nicht vereiteln.

„Unsere Vision einer echten AR-Brille erfordert jahrelange Fortschritte bei der Entwicklung von schlankeren, leichteren, schnelleren und leistungsfähigeren Geräten, die gleichzeitig viel weniger Strom verbrauchen und weniger Wärme erzeugen“, sagte Metas Technikchef Andrew Bosworth kürzlich in einem Jahresrückblick. Er bestätigte, dass rund die Hälfte von Metas Metaverse-Investitionen in die Entwicklung der AR-Technik fließt.

Eine AR-Brille muss zum einen sehr leistungsfähig und viele Stunden durchhalten, auf der anderen Seite schlank und modisch sein. Mit gegenwärtigen Chips und Batterien lässt sich dieses Ziel nicht erreichen, weshalb die Hauptrecheneinheit höchstwahrscheinlich an eine externe Recheneinheit ausgegliedert wird. Ein Smartphone wäre prädestiniert für diese Aufgabe, schließlich handelt es sich um einen Taschencomputer.

Hier fangen die Probleme für Meta an. Das iPhone dominiert den Smartphone-Markt in den USA, aber kommt als Recheneinheit eher nicht infrage. Zumindest für Meta. Der Grund ist, dass Apple als Hersteller des iPhones privilegierten Zugriff auf Hardware und Schnittstellen hat und es Meta sehr schwierig machen kann, das Smartphone als externe Recheneinheit zu nutzen. Meta ist in dieser Hinsicht dem Wohlwollen Apples ausgeliefert. Wenn man bedenkt, dass der Konzern eine eigene AR-Brille in Entwicklung hat, kann man sich schon ausrechnen, wie entgegenkommend Apple sein wird. Egal, wie gut Metas AR-Brille wird, sie wird niemals so nahtlos mit iOS zusammenarbeiten wie Apples eigenes Produkt.

Dies legt auch der jüngste Bericht von The Information nahe, der beschreibt, wie Meta „monatelang versuchte“, die im September 2021 gestartete Videobrille Ray-Ban Stories, ein potenzieller Vorgänger von Metas AR-Brille, am iPhone zum Laufen zu bekommen. „Meta wollte, dass die mit der Brille aufgenommenen Fotos automatisch auf das Smartphone der Nutzer heruntergeladen werden, ohne dass diese die Meta-App öffnen müssen. Aber aufgrund der Funktionsweise der Apple-Software konnte das Team den automatischen Download nicht durchführen, wenn das Telefon inaktiv war. In letzter Minute musste Meta den Kurs ändern, was zu einem Chaos vor der Markteinführung des Produkts führte“, heißt es in dem Bericht.

Meine Ray-Ban Stories und mein iPhone SE. | Bild: Tomislav Bezmalinović

Ich besitze die Ray-Ban Stories und kann bestätigen, dass das Herunterladen von Bildern und Videos recht umständlich ist – oder zumindest eleganter gelöst sein könnte. Zuerst muss man Metas eigene Smartphone-App öffnen, dann auf die Bluetooth-Verbindung zwischen Brille und Smartphone warten (oder diese manuell initiieren) und anschließend das Herunterladen starten. Gäbe es die gleiche Ray-Ban Stories mit gleichem Funktionsumfang von Apple, bei der dieser Vorgang automatisiert wäre, würde ich wohl Apples Produkt kaufen. Und das ist nur ein Beispiel, wie Apple die Nutzung erleichtern könnte, um einen Wettbewerbsvorteil zu gewinnen.

The Information schreibt weiter, dass Meta versuchte, eine Smartwatch zu entwickeln, die als externe Recheneinheit taugte. Doch das erste von drei geplanten Geräten wurde dieses Jahres aufgegeben. Das Unternehmen arbeite außerdem an einem Taschencomputer, der die Form eines Smartphones hat, heißt es weiter. Doch auch hier kann man suggestiv fragen, was Konsumenten bevorzugen werden: eine AR-Brille, die sich bequem mit einem iPhone betreiben lässt oder eine AR-Brille, die zusätzlich zum iPhone eines weiteren Geräts bedarf. Metas AR-Brille wird das Smartphone nicht auf Anhieb ersetzen können.

Andrew Bosworth räumte dieses prinzipielle Problem Metas in einer Frage-und-Antwort-Runde bei Instagram ein. Mit großer Wahrscheinlichkeit und auf absehbare Zeit würden die ersten richtigen AR-Brillen eine externe Recheneinheit voraussetzen, meinte Metas Technikchef. Er fügte hinzu, dass Apples potenzieller Vorteil sei, dass Kunden bereits eine solchen bei sich haben und kein zusätzliches Gerät mit sich tragen müssen.

Letzten Endes will Meta aus Apples und Googles Ökosystem ausbrechen und eine eigene, neue Computerplattform begründen. Das ist Sinn und Zweck von Zuckerbergs großem Metaverse-Plan. Das Problem für Meta ist, dass dieser Übergang fließend ist: Die Menschheit wird nicht von einem Tag von Smartphones auf AR-Brillen wechseln. Erstere stellen das herrschende Computerparadigma dar und das dürfte noch lange so bleiben. Meta benötigt das Smartphone, um darüber in eine neue Computerplattform hinauszuwachsen. So gesehen ist Googles und Apple Ökosystem so etwas wie eine Leiter. Die Frage ist, ob sie Zuckerberg trägt – oder unter ihm zusammenbricht.

Dieser Beitrag erschien am 25. Dezember 2022 bei MIXED.

Valve nächste VR-Brille: Weshalb mich „Deckard“ kalt lässt

Seit Valve Index (2019) und Half-Life: Alyx (2020) ist es still geworden um Valves VR-Projekte. Keine neue Hardware, keine neuen Spiele: Das führte in den vergangenen Jahren dazu, dass SteamVR kaum mehr ins Bewusstsein der VR-Blase, geschweige denn das der spielenden Allgemeinheit dringt. Kein Wunder also, dass sich VR-Studios größtenteils von der PC-VR-Plattform abwenden. Die Gegenwart und nähere Zukunft gehört Meta Quest und Playstation VR 2.

Valves VR-Lethargie schlägt sich deutlich in den eigenen Nutzerstatistiken nieder: Der Anteil der SteamVR-Nutzer an der Steam-Gesamtnutzerschaft beträgt nach knapp sieben Jahren gerade mal 2 Prozent. Mit anderen Worten: PC-VR ist verschwindend klein und wird infolgedessen auch kaum mehr mit Software versorgt. Ein Teufelskreis.

Nun wird schon seit Längerem gemunkelt, dass Valve wieder ins VR-Geschäft einsteigen könnte. Patente, Code-Hinweise sowie Stellenausschreibungen heizen die Gerüchte um eine neue Initiative immer wieder an. Im September 2021 bestätigten unternehmensnahe Quellen, dass Valve an einem Prototyp mit Codenamen „Deckard“ arbeitet, dem der Hardware-Analyst und Youtuber Brad Lynch schon seit Längerem auf der Spur war. Das Gerät könnte, anders als Valve Index, komplett autark funktionieren und damit dem Trend der letzten Jahre hin zu mobilen VR-Spielkonsolen folgen.

Weniger als 2 Prozent der Steam-Nutzer haben eine VR-Brille an ihrem PC angeschlossen. | Quelle: Steam Hardware & Software Survey (Juli 2023).

Valve-Chef Gabe Newell selbst deutete Anfang 2022 an, dass sich die nächste VR-Hardware in Richtung einer VR-Version des Steam Deck bewegen könnte. „Wenn man das Ganze umdreht und [Steam Deck] als leistungsfähiges mobiles PC-Gaming-Gerät betrachtet, dann stellt sich Frage: Warum kann ich das nicht auch in Form einer integrierten, kabellosen VR-Lösung haben?“, meinte Newell damals gegenüber Eurogamer.

Keine Frage: Bei Valve ist etwas in der Mache. Doch das ist keine Überraschung und muss noch lange nicht heißen, dass zeitnah ein neues VR-Headset erscheint. Valve hat viel in Virtual Reality investiert und wird am Ball bleiben wollen, für den Fall, dass die Technologie doch noch aus der Nische herauskommt. Wie groß das Hardware-Team ist, das an Valve Deckard und anderen Prototypen arbeitet, wissen wir nicht.

Im ungünstigsten Fall handelt es sich um eine Handvoll VR-Enthusiasten, deren Projekte außerhalb dieser eingeschworenen Gruppe kaum Wirkung zeigen. Wer von Valves einzigartiger Unternehmensstruktur gehört hat, weiß, dass interne Projekte der kollektiven Unterstützung und Begeisterung bedürfen, um sich Hoffnung auf eine Markteinführung zu machen. Und dies ist nach Valves SteamVR-Fiasko eher fraglich. Die interne Aufmerksamkeit wird bis auf Weiteres auf das erfolgversprechendere Steam Deck gerichtet sein.

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Valve ist nicht willens, in die eigene VR-Plattform zu investieren. Ohne eine Auswahl guter VR-Spiele gibt es keinen Grund, sich „Deckard“ zu kaufen. | Bild: Valve

Noch schwerer als die Vergangenheit wiegt die Gegenwart und nähere Zukunft. Ich meine den Umstand, dass es für Valve derzeit sehr schwierig werden dürfte, signifikante Erfolge am VR-Markt zu erzielen. Meta dominiert den Markt für Standalone-Headsets. Ein gewichtiger Fakt, an dem sich Konkurrent Bytedance noch die Zähne ausbeißen und den Valve ganz sicher nicht herausfordern wird.

Valve ist ein reiches, aber kleines Unternehmen. Es wartet auf eine Gelegenheit, mit möglichst geringem Aufwand eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Dauerhafte und kostspielige Investitionen in Virtual Reality, wie sie Meta tätigt, passen nicht zu Valve. Nehmen wir an, Valve würde 2023 oder 2024 tatsächlich eine autarke VR-Brille herausbringen. Welche Inhalte darf man für das Gerät erwarten? Bestenfalls ein neues Valve-Spiel, schlimmstenfalls VR-Klassiker aus 2016 und Half-Life: Alyx in mobiler Grafik.

In jedem Fall wird es das Gerät schwer haben, weil Valve nicht willens ist, im großen Stil in Plattform und Entwickler zu investieren. Darin unterscheidet sich das Unternehmen von anderen Akteuren der Gaming-Industrie wie Sony, Microsoft und Meta. Die letzten sieben Jahre SteamVR beweisen das hinlänglich.

Die Zeit für Deckard ist noch nicht gekommen. Jedenfalls sehe ich keine Lücke, die das Headset schließen könnte, keine Bedarfe, die es befriedigen könnte, außer, dass es ein Gerät von Valve ist. So gesehen hätte das Unternehmen mehr zu verlieren, als zu gewinnen.

Dieser Beitrag erschien am 18. Dezember 2022 bei MIXED.