Befinden wir uns in der Post-Meta-Ära?

Diese Woche schrieb ich über eines der ersten VR-Erlebnisse Mark Zuckerbergs. Das war im Jahre 2014. Wenige Wochen nach der Demo erwarb Facebook das Start-up Oculus und brachte damit den Hype um Virtual Reality ins Rollen.

Der Traum vom schnellen Mainstream-Erfolg der VR-Headsets erfüllte sich nicht. Doch Zuckerberg hält VR und AR noch immer für die Zukunft. Im Herbst 2021 benannte er sein Unternehmen medienwirksam in Meta um und richtete es radikal neu aus. Das Ergebnis ist ein erneuter Hype um VR und AR, nur unter neuem Namen: dem Metaverse.

Dass auch dieser bald Früchte trägt, ist nicht zu erwarten. Das Metaverse entstand nicht aus dem Nichts und rückte auch kein bisschen näher dadurch, dass es Zuckerberg in hübschen Rendervideos heraufbeschwor. Das Metaverse ist mehr Sci-Fi-Vision als Wirklichkeit, mehr Platzhalter und Unbekannte als ein klar definierter Begriff. Im Metaverse sieht jeder etwas Anderes und darin liegt die Macht dieses Konzepts.

Der VR-Markt und dessen Entwicklung sind so interessant wie noch nie. Meta Quest 2 gab in den letzten Jahren einen Vorgeschmack auf den Mainstream. Stagnierte die Technologie in den letzten Jahren, wird sie demnächst wieder Sprünge machen: Project Cambria, Playstation VR 2 und Apples Headset, falls es denn endlich erscheint, werden 2023 neue Maßstäbe bei VR-Technik setzen und hoffentlich noch mehr Menschen für VR begeistern.

Im Rahmen der Connect 2021 präsentierte Meta, wie es sich das Metaverse vorstellt. | Bild: Meta

Ist Virtual Reality dann endlich über den Berg, aus der Nische herausgewachsen, eine Technologie, die ihren Platz gefunden hat? Ich denke nicht. VR-Headsets gab es schon vor 2016 und es wird sie auch in Zukunft geben für professionelle Anwendungen wie 3D-Design, Architektur und Training. Aber das ist nicht, was sich Zuckerberg erhofft. Virtual und Augmented Reality sollen Technologien mit großer kultureller Tragweite werden, die im Alltag der Menschen eine Rolle spielen und nicht nur ein Werkzeug unter vielen bleiben.

Es ist schwer, sich vorzustellen, wie sich die Branche ohne Metas Zugkraft und kompromisslosen Investitionswillen Metas entwickelt hätte und was passieren würde, wenn Zuckerberg sich entschlösse, sich von VR und AR abzuwenden. Leben wir tatsächlich in der Post-Meta-Ära, in der die Branche auch ohne größeres Zutun Metas kontinuierlich weiterwachsen würde, wie der Analyst Ming-Chi Kuo kürzlich behauptete? Ich bin skeptisch.

Der Grund ist, dass es nicht viele reiche Unternehmen gibt, die an VR glauben und die Ausdauer und Bereitschaft haben, in die Technologie zu investieren, ohne dass sie zeitnah Gewinne abwirft. Es gibt zum einen Meta und Sony, zum anderen die Opportunisten und Trittbrettfahrer, die aus primär drei Gründen in VR investierten: weil sie sich schnellen Umsatz versprechen, weil sie Angst haben, dass Zuckerberg am Ende doch recht hat oder weil sie schlicht tun, was Meta tut.

Mark Zuckerberg in seinem virtuellen Zuhause der Zukunft. | Bild: Meta

Das ist nachvollziehbar. Meta hat große Macht, wirtschaftlich und dadurch, dass knapp drei Milliarden Menschen dessen soziale Netzwerke nutzen. Zuckerbergs Einfluss ist so groß, dass er die Realität vieler Menschen allein schon dadurch formt, dass er ein neues Unternehmensziel ausgibt. In diesem Fall etwas, das noch gar nicht existiert: das Metaverse. Der ausufernde und teils bizarre Metaverse-Hype beweist das.

Ob der Enthusiasmus für VR und AR gespielt ist oder nicht, wissen wir nicht (ich denke, Zuckerberg ist in diesem Punkt aufrichtig). Aber die Begeisterung allein ist schon eine Botschaft, ein wichtiges Signal: Sie ist eine Zusicherung, dass Meta willens ist, die Grundlagen für ein VR- und AR-Ökosystem zu schaffen. Ohne diese wäre es schwierig, Entwickler zu gewinnen und damit Apps, die eine Anschaffung der Hardware überhaupt erst lohnenswert machen.

Sony könnte das ebenfalls gelingen, aber wie steht es um Valve, Google oder Apple? Können sie Entwickler begeistern, die für die betreffenden Ökosysteme Zeit und Geld aufwenden und Inhalte entwickeln wollen? Valve hat seit 2020 keinen Finger mehr gerührt, Google ist berühmt dafür, Projekte frühzeitig aufzugeben und Apple muss die eigene Produktstrategie erst noch darlegen.

Ich denke nicht, dass Virtual Reality als Mainstream-Technologie etabliert ist und ein gesunder Markt existiert. Dafür braucht es mehr als nur ein Ökosystem und Unternehmen, das 90 Prozent des Marktes dominiert, so wie es Meta derzeit tut. Die VR-Industrie braucht Zuckerbergs Enthusiasmus, zumindest so lange, bis die Branche auf eigenen Beinen steht.

Dieser Beitrag erschien am 10. Juli 2022 bei MIXED.