Den Kunstformen liegen Verhältnisformen zugrunde, die über Dichte verfügen. Dass diese Verhältnisformen über Dichte verfügen, bedeutet, dass sie ein ausgezeichnetes Vermögen besitzen, uns zur Entdeckung zu befähigen. Dieses ausgezeichnete Vermögen aber beruht auf deren Wechselspiel von Gabe und Empfängnis. Solches wiederum ist nicht aus dem Nichts entstanden, es ist vielmehr Resultat einer Entwicklung, die je nach Kunstform weit in die Vergangenheit zurückreicht und niemals abgeschlossen ist.
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§ 116. Die Dichte von Verhältnisformen und deren Formel
Vor dem Hintergrund dieser Betrac tungen lässt sich womöglich verstehen, weshalb eine Verschmelzung von Spiel und Erzählung nicht ohne weiteres möglich ist. Man könnte davon ausgehen, dass die Verhältnisformen des Spiels und der Erzählung über einen einzigartigen Aufbau verfügen, dem sich ihre Dichte verdankt. Die unverwechselbare Struktur eines solchen Aufbaus will ich dessen Formel nennen. Nun lassen sich solche Formeln nicht ohne weiteres ineinander überführen, weil jeder Eingriff in ihren Aufbau die Einheit ihres Gefüges zerstört. Deshalb muss jeder Entwurf einer Zehnte Kunstform fehlgehen, der sich, gerade so wie viele Erscheinungsformen des Computerspiels, an einer Synthese bestehender Formeln versucht.
§ 117. Die Frage nach der Formel der Zehnten Kunstform
Die erste Frage, die sich für den Entwurf einer Zehnten Kunstform stellt, lautete: Inwiefern vermag die Form, welche dem begrifflichen Entwurf einer Zehnten Kunstform zugrunde liegt, der Form ihres Mediums, mithin der Form eines Allgemeinen zu entsprechen? Diese Frage erhält durch die vorangegangenen Betrachtungen eine spezifischere Ausrichtung: Inwiefern vermag die allgemeine Form des Lebens für die Zehnte Kunstform eine Formel bereitzustellen? Die Frage nach der Formel der Zehnten Kunstform ist eine Frage nach der Form, welche das Wechselspiel von Gabe und Empfängnis für selbige annimmt.
§ 118. Die Materialisation des Geistes als dasjenige, worin das der Zehnten Kunstform eigene Wechselspiel von Gabe und Empfängnis zu sich findet
Erstreckte sich die Bestimmungsmacht des Rezipienten bisher vornehmlich auf das Reich des Geistigen und Sinnlichen, innerhalb dessen sich sein schöpferischer Geist frei entfalten konnte, so beansprucht er dasselbe nun für das Reich des Wirklichen, das sich ihm mit der Zehnten Kunstform eröffnet. Dass er dasselbe für das Reich des Wirklichen beansprucht, bedeutet, dass sein Geist sich nun innerhalb jenes Reichs entfalten möchte. Das Mittel dieser Entfaltung ist die Handlung und der Ausdruck dieser neugewonnenen Freiheit, dass sein Geist sich in die Welt hinausträgt, sich in der Welt abdrückt, der er handelnd Gestalt gibt. Man könnte auch von einer Materialisation des Geistes sprechen, worin das der Zehnten Kunstform eigene Wechselspiel von Gabe und Empfängnis zuallererst zu sich findet, worin die Grundlage jener Formel zu suchen ist, vermöge welcher die Verhältnisform zu ihrer Bestimmung gelangt.
§ 119. Der Demiurg. Die Welt als ein System der Gesetze. Das Lebenswerk
Dem Leben liegt die Verhältnisform zugrunde, die allen anderen Verhältnisformen zugrunde liegt. Allein dies ist schon ein Ausweis ihrer Dichte als das Vermögen, uns zur Entdeckung zu befähigen. Das Artefakt göttlichen Ursprungs, das dem Leben als einer Verhältnisform zugrunde liegt, ist die natürliche gegebene Welt. Sollte die Zehnte Kunstform ihre Aufgabe darin finden, dass sie die allgemeine Form des Lebens annimmt, so bringt sie eine gegebene Welt hervor, die als Kunstwerk zum ersten Mal das Wirkliche und Sinnliche in die natürliche Einheit des Welthaften zurückführt. Den Künstler, der ein solches Kunstwerk hervorbringt, den Baumeister einer solchen Welt, nenne ich Demiurg. Was für den Maler Formen, für den Schriftsteller Worte, für den Komponisten Töne sind, das sind für den Demiurgen Algorithmen. Der Demiurg schafft kein System der Formen, Worte oder Töne, er schafft ein System der Gesetze. Der Demiurg hat dafür zu sorgen, dass die Dimension des Wirklichen in der Welt, die er schafft, zu seinem Recht kommt, denn diese Form von Verhältnis, die sich für den Geist in der Möglichkeit der Handlung manifestiert, zeichnet die Zehnte Kunstform aus und ist jenes Mittel, durch welches der freie, schöpferische Geist am Bestimmungsvollzug teilhat. Aber der Geist kann nur insofern frei und schöpferisch werden und seine Materialisation nur insofern über die nötige Bedeutung verfügen, als das Wirkliche, das dem Bestimmungsvollzug zugrunde liegt, auf ein System von Gesetzen gründet, das mehr als die Summe seiner Teile ist und eine unbegrenzte Zahl an Möglichkeiten bereitstellt, das Paradigma und Syntagma eines solchen Vollzugs zu bestimmen. Damit sind die Bedingungen benannt, unter welchen eine Kunstform, die im Wirklichen aufgeht, überhaupt erst denkbar wird. Die Idee für solche Bedingungen aber gibt uns das Leben ein: dass es ein System von Gesetzen gibt, das einen unendlich breiten, unendlich tiefen Handlungsspielraum eröffnet, dass es einen Bestimmungsvollzug gibt, der im Wirklichen, der in der Handlung aufgeht, und dass der Geist sich vermöge jenes Handlungsspielraums auf eine einzigartige und bedeutsame Weise zu etwas, das man ein Lebenswerk nennen könnte, zu materialisieren vermag.