§ 50. Abstraktion und Konkretion. Philosophie und Kunst

Jede Form von Vermittlung zwischen Geist und Welt setzt voraus, dass entweder die Wirkungsgröße des Geistes oder die Wirkungsgröße der Welt zu einem gewissen Grad dominiere. Dominiert die Wirkungsgröße des Geistes, so nenne ich diese Form der Vermittlung Abstraktion, dominiert die Wirkungsgröße der Welt, so nenne ich diese Form der Vermittlung Konkretion. Die dialektisch organisierten Begriffe der Abstraktion und Konkretion dienen einer allgemeinen Charakterisierung von Verhältnisformen, indem sie solche als durch die Wirkungsgröße des Geistes, genauer: die Verhältnisqualität des Geistigen oder durch die Wirkungsgröße der Welt, genauer: die Verhältnisqualität des Wirklichen und Sinnlichen dominiert begreifen. Ich habe in einer früheren Betrachtung festgehalten, dass die Vorstellung, der Geist sei in der Lage, sich das Leben und die ihm zugrundeliegende Vermittlung zwischen Geist und Welt allein vermöge seiner selbst begreiflich zu machen, eine irreführende Vorstellung sei, und zwar deshalb, weil der Geist hierbei aus etwas hinaussteigen müsste, zu dem er selbst und hinzu noch als ein bloßes Element desselben die Grundlage hergibt, woraus die bedeutsame Einsicht erwuchs, dass Geist und Welt Größen sind, die zwar auf ihre eigene Art, aber mit gleichem Recht Geltung darauf beanspruchen dürfen, zur Erkenntnis beizutragen. Gilt dies Gesetz für Geist und Welt, so gilt es gleichermaßen für Abstraktion und Konkretion. Von einem Seienden eine Idee zu haben oder sich einen Begriff von diesem Seienden zu machen ist ebenso notwendig, wie dessen unendliche Erscheinungsformen zu studieren. Es handelt sich folglich um zwei sich ergänzende Perspektiven gleichen Ranges, von denen man sagen könnte, dass sie in paradigmatischer Weise als Philosophie und Kunst Gestalt annehmen.