Ich gehe gerade einer alltäglichen Tätigkeit nach, als ich für einen Augenblick das Bewusstsein verliere. Als ich wieder zu mir komme, finde ich mich an einem anderen Ort liegend wieder vor. Ich vernehme eine Stimme, die mir eröffnet, dass die vorangegangenen Erlebnisse bloß ein durch technische Apparaturen künstlich herbeigeführter Traum gewesen seien, in welchem ich mich zwar frei bewegen konnte, dem aber gleichwohl keine Realität zugrunde gelegen habe.
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§ 15. Die Frage nach der allgemeinen Form des Lebens
Es geht mir bei diesem Gedankenexperiment weder um die Erprobung eines methodischen Skeptizismus noch um Zweifel an der Realität oder den irregeleiteten Wunsch, dass so etwas dereinst möglich werde. Worum es mir geht, ist die Frage, wie man sich solch einer Erfahrung medienwissenschaftlich überhaupt nähern könnte, zumal ihr nach dem vorherrschenden Paradigma des Begriffs ein Medium im Sinne einer technischen Apparatur zugrunde läge, mithin etwas, das künstlichen Ursprungs ist. Was nach demselben Paradigma gegen eine solche Auffassung sprechen würde, wäre, dass dasjenige, was erscheint, ganz und gar die Form eines Allgemeinen, die allgemeine Form des Lebens selbst angenommen hat. Aber hiermit kündigt sich ein Paradigmenwechsel an, dessen Reichweite und Bedeutung man noch gar nicht ermessen kann. Denn wenn die Erfahrungen, welche solch ein Medium ermöglichte, nicht mehr dadurch hinreichend begreiflich werden können, dass man sie als ein Vermitteltes zu einem Unvermittelten, dem Leben, ins Verhältnis setzt, so muss solches Leben selbst als etwas hervortreten, das vermittelt ist. Was sich in der Folge Bahn bricht, ist das Bewusstsein, dass dem Leben selbst eine Vermittlung zugrunde liegt, deren allgemeine Form man beschreiben müsste.
§ 16. Der Begriff des Mediums ist nur in Abhebung vom Leben zu denken
Der Begriff des Mediums pflegt ein zweifaches, durch und durch widersprüchliches Verhältnis zur Realität. Er grenzt sich nicht bloß von ihr ab, wie man zunächst meinen könnte, nein, er bedarf ihrer, und zwar auf fundamentalste Weise, denn offensichtlich gestand man den technischen Medien die Macht zu, eine eigene Form von Realität zu schaffen, die offensichtlich nur vermöge dessen überhaupt eine eigene Realität sein konnte, als ihr eine Realität zugrunde lag. Man könnte folglich sagen, dass der Begriff des Mediums im doppelten Sinne des Wortes nur in Abhebung vom Leben zu denken ist. Er ist stets von einer Realität her gedacht, zu der er nun, als seiner Quelle, zurückfindet. Denn das Leben ist nun selbst zur Form geworden, sie wird nun als jenes Unsichtbare entdeckt, das sich hinter all jenem, das erscheint, verbirgt.
§ 17. Die Philosophie als Formwissenschaft
Jener Zweig der Medienwissenschaften, welcher der unsichtbar gewordenen Form eines durch ein Medium vermittelten Inhalts nachspürt, hatte sich selbst immer schon als eine Wissenschaft der Form verstanden. Aber es gibt eine andere, sehr viel ältere und umfassendere Wissenschaft, die schlechthin Formwissenschaft ist. Diese heißt Philosophie. Das wohlbekannte Diktum, dass nicht der Inhalt eines Mediums, sondern seine Form dasjenige sei, was untersucht werden müsse, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als der Grundsatz philosophischen Denkens, welche Gestalt er im Einzelnen auch annimmt: als ontologische Frage, als Frage nach dem Grund oder als Frage nach der Bedingung der Möglichkeit, dass etwas erscheint. So gesehen reicht die Medientheorie sehr viel weiter zurück. Denn das Fragen, das sie hervortreibt, war stets ein Fragen nach einem Zugrundeliegenden, einer Form, sei solche durch die Sprache, die Vernunft oder das Seiende als Seiendes selbst geprägt.
§ 18. Weshalb es nichts Unvermitteltes geben kann
Ein Unvermitteltes, ein Ding an sich, lässt sich nicht vorstellen, und zwar bis zu dem Punkt, an dem es schwierig wird, sich ein solches überhaupt zu denken. Denn geht man zurück bis zu den ersten und letzten Dingen, so erscheint bloß noch so etwas wie Geist und erscheint bloß so noch etwas wie Welt, aber sie erscheinen nicht als Größen, die unabhängig voneinander existierten, sondern sie sind zuallererst durch das sonderbare Verhältnis gegeben, das sie zueinander eingehen und das eines der Vermittlung ist, wodurch der Geist unter der Bedingung der Welt, die Welt unter der Bedingung des Geistes erscheint, ohne dass diese Vermittlung selbst gänzlich begreiflich werden könnte.