Nuklearer Schatten: „In the Morning You Wake“ ist ein eindringlicher Weckruf

In den Morgenstunden des 13. Januar 2018 erhält die hawaiianische Bevölkerung eine schockierende SMS: Eine ballistische Rakete ist auf dem Weg zur Insel. „Suchen Sie sofort Schutz. Das ist keine Übung“, steht in der Nachricht.

Unter den 1,4 Millionen Einwohnern bricht Panik aus. Die Menschen suchen Schutz in Gebäuden, klettern in die Kanalisation, setzen Notrufe ab. 38 Minuten lang herrscht Ungewissheit und Todesangst, bis eine zweite SMS Entwarnung gibt: Es handelt sich um einen versehentlich ausgelösten Fehlalarm. Der VR-Film „In the Morning You Wake (To the End of The World)“ zeigt, wie die Einwohner auf den Ernstfall eines nuklearen Angriffs reagierten und er tut dies mit Mitteln, die das Erzählmedium Virtual Reality auszeichnen.

Die halbstündige Dokumentation wird in Echtzeit auf der Meta Quest 2 gerendert und erlaubt es, die Szenen frei zu begehen. Viele der Schauplätze setzen sich aus Punktewolken zusammen, die den nuklearen Schatten symbolisieren, unter dem die Menschheit lebt. Die tanzenden Punkte verleihen dem VR-Film visuelle Dynamik und regen die Vorstellungskraft der Zuschauer:innen an, da sie die Welt nur umrisshaft zeigen.

Überhaupt ist alles in Bewegung. Die Dokumentation spielt mit Kamerafahrten, Perspektiven und Größenverhältnissen und inmitten all dessen steht das Publikum und erlebt, was Hawaiis Bewohner empfunden haben mussten: eine aus den Fugen geratene Welt.

Eine weitere Besonderheit des VR-Films sind die volumetrischen Darsteller, die vorab mithilfe 140 Kameras eingescannt wurden und in den Szenen als Hologramme erscheinen. Sie stehen für die Menschen, die diesen Albtraum durchleben mussten und deren Stimmen man in der Dokumentation erzählen hört. Die Aufzeichnungen stammen aus 100 Stunden Interview-Material.

On the Morning You Wake ist voller Szenen, die ich niemals vergessen werde, die sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt haben: eine Visualisierung des Einschlags der Hiroshima-Bombe, atomare Raketen, die um den verletzlich wirkenden Erdball fliegen und die letzte Szene, die durch Einbeziehung des Publikums auf ergreifende Art an nukleare Abrüstung appelliert.

Dieser Beitrag erschien am 2. April 2022 bei MIXED.