Ganz gleichgültig, wozu man sich ins Verhältnis setzt, es ist nicht denkbar, dass die hieraus entstehende Verhältnisform keine Interaktivität aufweise, und zwar aus einer metaphysischen Notwendigkeit heraus. Der Begriff der Interaktivität ist mit dem Begriff der Vermittlung oder dem des Mediums verwandt und besitzt dieselbe metaphysische Fundamentalität. Aber auch an dem etwas weniger schwierigen Begriff der Aktivität ist der Unterschied zwischen der Zehnten Kunstform und den traditionellen Kunstformen nur unzureichend festzumachen, zumal der Geist in seinem Reich, dem Reich des Geistigen gleichermaßen aktiv ist wie der Körper in seinem Reich, dem Reich des Wirklichen. Die Frage besteht folglich nicht darin, ob das eine oder das andere Aktivität darstelle, sondern worin sich diese Aktivitäten als Aktivitäten unterscheiden. Hierzu bedarf es einer Beschreibung der Form geistiger und körperlicher Vollzüge: dem, was wir tun, wenn wir denken, und dem, was wir tun, wenn wir handeln. Die Beantwortung jener Frage bedarf der Ausarbeitung einer eigenen Ästhetik, einer Ästhetik, die zu den ersten und letzten Bedingungen hinabführt. Aber darin zeigt sich nicht bloß die Dimension dieser Frage, sondern auch, weshalb sie so schwierig zu beantworten ist.
§ 102. Der Bestimmungsvollzug traditioneller Kunstformen wird in zwei Reichen, der Bestimmungsvollzug der Zehnten Kunstform in einem Reich ausgetragen
Der Bestimmungsvollzug traditioneller Kunstformen wird seinem Wesen nach in zwei getrennten Reichen ausgetragen, zwischen welchen die Bestimmungsmacht aufgeteilt wird. Die Bestimmungsmacht des Künstlers erstreckt sich auf das Reich des Wirklichen, die Bestimmungsmacht des Rezipienten, der sich zum Kunstwerk ins Verhältnis setzt, erstreckt sich auf das Reich des Geistigen und das Reich des Sinnlichen und beiden kommt innerhalb ihrer Reiche eine beträchtliche Bestimmungsmacht zu. Dadurch aber, dass die Zehnte Kunstform eine Kunstform ist, die im Wirklichen aufgeht, existiert hier nur noch ein Reich, das Reich des Wirklichen, auf das beide Bestimmungskräfte Anspruch erheben, wodurch eine Aufteilung der Bestimmungsmacht innerhalb eines Reichs notwendig wird.
§ 103. Worin das Bestimmungsparadox besteht. Der Streit um die Bestimmung eines Gegenstands und der gegebenen Welt
Die Natur des Problems, das hieraus erwächst, wird erst auf der Ebene der Begriffe einsichtig. Das Bestimmungsparadox erscheint in abstracto nämlich insofern, als es undenkbar ist, dass zwei Bestimmungskräfte denselben Gegenstand zugleich auf unterschiedliche Weise bestimmen. Es ist von Bedeutung, dass hier der Gegenstand als ein Entgegenstehendes (§ 58) gemeint ist, mithin etwas, das einer gegebenen Welt angehört. Die vorgestellte Welt kann wie der Geist niemals Gegenstand werden, sie ist vielmehr dasjenige, was aus dem Wechselspiel von Gabe und Empfängnis vermöge des Geistes und innerhalb desselben hervorgeht. Die gegebene Welt kann stets nur auf eine Weise bestimmt sein, so wie ein literarisches Werk, das als Gegenstand unzweideutig bestimmt ist durch das Paradigma und Syntagma seines Textes.
§ 104. Der Eintritt des Krieges in den Bestimmungsvollzug
Der Bestimmungsvollzug der Zehnten Kunstform betrifft zunächst einmal die Gestalt der gegebenen Welt. Der Mensch ist in das Kunstwerk, das zur Welt geworden ist, eingetreten und erhebt Anspruch darauf, solcher Gestalt zu geben. Damit aber tritt der Krieg in den Bestimmungsvollzug. Dass der Wille zur Macht die Triebfeder und die Überwältigung der Welt das Ziel dieses Bestimmungsvollzugs sind, ist eine natürliche Folge dieses Umstands.
§ 105. Das Computerspiel als Synthese von Spiel und Erzählung und der Traum einer neuen Einheit von Freiheit und Form
Dass das Bestimmungsparadox beim Computerspiel so stark in den Vordergrund tritt, liegt daran, dass es zwei Ansprüchen genügen muss: sowohl Spiel als auch Erzählung zu sein. Die Schwierigkeit einer Synthese dieser beiden kulturellen Paradigmen besteht darin, dass das Spiel dahin strebt, dass man einen Gegenstand bestimmt, während die Erzählung dahin strebt, dass sie einen Gegenstand bestimmt. Die Erwartung, dass ein Kunstwerk beiden Ansprüchen gerecht werden müsse, stellt sich hier in einer bisher nicht dagewesenen Radikalität, die letztlich in der Hoffnung gipfelt, eine neue Einheit von Freiheit und Form zu gewinnen.