Die erste Frage, mit der ich mich beschäftigen möchte, nimmt folgende Form an: Lässt sich eine Kunstform auf der Grundlage des Computers denken? Wir sehen, dass der Computer Grundlage jeder anderen Kunstform werden kann in dem Sinne, dass er die Bedingungen bereitstellt, unter welchen die Kunstwerke erscheinen können. Damit jedoch ist die Frage nicht beantwortet. Denn gefragt wurde nicht, ob sich diese oder jene Kunstform, sondern ob sich eine Kunstform auf der Grundlage des Computers denken ließe. Aber was bedeutet das überhaupt, sich eine Kunstform auf der Grundlage des Computers zu denken? Es bedeutet, sich eine zu denken, welche der Form des Computers entspricht. Aber worin besteht diese Form des Computers? Sie besteht offenbar nicht in dieser oder jener Form eines Besonderen, sondern in der Form eines Allgemeinen. Denn nicht bloß zur Erscheinung von Kunstwerken vermag der Computer die Bedingungen bereitzustellen, sondern ebenso zu vielem anderen. Folglich kann die Frage, ob sich eine Kunstform auf der Grundlage des Computers denken ließe, auch so formuliert werden: Lässt sich eine Kunstform denken, die der Form eines Allgemeinen entspricht?
§ 2. Das Allgemeine und das Besondere, das Mögliche und das Wirkliche
Das Allgemeine und das Besondere fasse ich dialektisch auf, mithin als etwas, das bloß dem Grade nach allgemeinen oder besonderen Charakters ist. Die Form eines Allgemeinen existiert ebenso wenig wie die Form eines Besonderen. Mit der Form eines Allgemeinen ist eine Form gedacht, die in Abgrenzung zum Besonderen, dem Allgemeinen zustrebt, mit der Form eines Besonderen ist eine Form gedacht, die in Abgrenzung zum Allgemeinen dem Besonderen zustrebt. Ließe sich ferner das Allgemeine als ein Mögliches und das Besondere als ein Wirkliches denken, so wäre das Allgemeine dasjenige, was dem Möglichen, das Besondere dasjenige, was dem Wirklichen zustrebt.
§ 3. Entsprechung und Bestimmung
An der ursprünglichen Formulierung der Frage ist insofern eine weitere Veränderung eingetreten, als nun nach einer Entsprechung gefragt wird. In solcher Frage tritt der Gedanke hervor, dass etwas durch dasjenige und zu demjenigen bestimmt ist, das ihm zugrunde liegt. Übertragen auf die Frage, die ich diesen Betrachtungen vorangestellt habe, würde das heißen, dass eine Kunstform auf der Grundlage des Computers erst damit zu ihrer Bestimmung kommt als demjenigen, wodurch und wozu sie bestimmt ist, als sie dem, was ihr zugrunde liegt, entspricht. Denkt man an den Computer als Form eines Allgemeinen, dann kann man folgern, dass die Frage nach solch einer Entsprechung sich für keine andere Kunstform mit so viel Nachdruck stellt wie für diese Kunstform, und zwar gerade deshalb, weil ihr die Form eines Allgemeinen zugrunde liegt, unter welcher beinahe alles erscheinen kann, aber dass sie zugleich und aus demselben Grund für keine andere Kunstform so schwierig zu beantworten ist.
§ 4. Die Zehnte Kunstform
Jene Kunstform, welche der Form eines Allgemeinen entspricht, will ich die Zehnte Kunstform nennen. Mache ich von diesem Begriff Gebrauch, so geschieht dies nicht in der Absicht, Behauptungen darüber aufzustellen, ob es eine bestimmte Anzahl Kunstformen gebe und welche darunter zu rechnen seien. Vielmehr soll jenem sonderbaren Gedanken Ausdruck verliehen werden, wonach es eine Kunstform gibt, die sämtliche anderen Kunstformen zu beherbergen vermag, dergestalt, dass jede innerhalb jener erscheinen kann. In der Numerologie heißt es, die 10 sei diejenige Zahl, die sämtliche anderen Zahlen enthalte, deren Grundlage bilde und die Gesamtheit aller Möglichkeiten repräsentiere. Auf diese Vorstellung einer höchsten Allgemeinheit, welche die Formbedingungen sämtlicher Kunstformen unter sich fasst, spiele ich mit dem Begriff einer Zehnten Kunstform an. Die Frage, mit der wir uns befassen, könnte somit auch lauten, ob sich so etwas wie eine Zehnte Kunstform denken ließe?
§ 5. Die allgemeine Form des Lebens als diejenige Form eines Allgemeinen, in welcher die Zehnte Kunstform ihre Entsprechung findet
Wonach kann sich eine Entsprechung richten, wenn sie sich nach der Form eines Allgemeinen richten soll? Die Antwort, die ich auf diese Frage geben möchte, lautet: die allgemeine Form des Lebens. Mit diesem Begriff bezeichne ich die formalen Eigenschaften des Lebens als ein Verhältnis, das zwischen Geist und Welt als dessen erste und letzte Bedingungen aufgespannt wird. Zu leben bedeutet, dass man dieses Verhältnisses teilhaftig ist, und zwar als einer Vermittlung zwischen Geist und Welt, die ihrem Wesen nach Vollzug ist.