VR-Brillen sind unvollkommen und werden es lange bleiben

Die jüngste Virtual-Reality-Welle kam vor einer Dekade ins Rollen, aber trotz rasanter technologischer Fortschritte, stehen VR-Brillen noch immer am Anfang ihrer Entwicklung. Noch immer schlagen wir uns mit Kabeln herum (Playstation VR 2), tragen sperrige Kästen im Gesicht, die ein halbes Kilo oder mehr wiegen (Meta Quest 2), müssen Zubehör an die Wände schrauben (Bigscreen Beyond) oder vor dem Kauf einen Kredit aufnehmen (Varjo XR-3). Jedes der genannten Geräte kann etwas besonders gut, aber keines befriedigt in jeglicher Hinsicht.

Eine auch nur annähernd perfekte VR-Brille? Sie existiert nicht und dafür gibt es gute Gründe, die mit den (immens hohen) Erwartungen zusammenhängen, die an solche Geräte geknüpft sind. Die VR-Brille soll Grafik auf dem Niveau einer Konsole darstellen können, aber gleichzeitig ohne Strom aus dem Netz auskommen, kaum Abwärme produzieren und auch noch so leicht und klein sein, dass man sie kaum auf der Nase spürt. Eine technische Unmöglichkeit!

Optik, Leistungsfähigkeit, Gewicht, Formfaktor, Energieeffizienz und nicht zuletzt der Preis: All das sind Faktoren, deren Gewichtung die Ingenieurinnen gegeneinander abwägen müssen. Unternimmt man den Versuch, die Geräte in eine Richtung entscheidend zu verbessern, so muss man dafür unweigerlich Kompromisse in anderen wichtigen Bereichen hinnehmen. Ein aktuelles Beispiel: Durch den Einsatz sogenannter Pancake-Linsen kann man Formfaktor von VR-Brillen beträchtlich reduzieren. Der Nachteil solcher Linsen ist, dass sie zehnmal so viel Licht schlucken, was wiederum heller leuchtende Displays und effizientere Batterien voraussetzt.

Von links oben nach rechts unten: Playstation VR2, Meta Quest 2, Bigscreen Beyond, Varjo XR-3.

Die Entwicklung von VR-Hardware ist ein Spiel der Kompromisse. Die beste VR-Brille ist letzten Endes nicht die, die nur ein, zwei Dinge sehr gut kann, sondern deren technische Nachteile in der Summe am wenigsten stören.

Als ich meine MIXED-Kollegen kürzlich über die Unvollkommenheit von VR-Brillen lamentieren hörte, kam mir eine Filmszene aus „Club der toten Dichter“ in den Sinn. In der besagten Szene beschreibt der Student Todd Anderson (Ethan Hawke) die Wahrheit als eine Decke, die einen nie ganz zudeckt, sodass man notgedrungen friert, egal, wie man sie sich zurechtlegt oder an ihr zerrt. Ihr könnt euch diesen Ausschnitt in Englisch bei Youtube ansehen.

Natürlich stellen VR-Brillen anders als die Wahrheit eine technologische, keine prinzipielle Unvollkommenheit dar. Sie könnten eines Tages vollkommen sein oder zumindest die größten Nachteile beseitigen, dergestalt, dass eine Stärke nicht mit einer Schwäche erkauft werden muss.

Das wird lange dauern. VR-Brillen haben weitaus komplexere Anforderungen als alle bisherige Unterhaltungselektronik. Einige Bausteine müssen verbessert, andere erst noch erfunden werden. Diese Entwicklung mitzuverfolgen und gleichsam der Decke beim Wachsen zuzusehen, ist ungeheuer spannend und einer der Gründe, weshalb mich Virtual Reality nach zehn Jahren noch immer fasziniert, Unvollkommenheit hin oder her.

Wer mehr über die technischen Hürden von Headsets erfahren möchte, dem empfehle ich Matthew Balls exzellenten Essay Why VR/AR Gets Farther Away as It Comes Into Focus.

Dieser Beitrag erschien am 7. Mai 2023 bei MIXED.