Luke Ross verdient 10.000 US-Dollar im Monat mit VR-Mods

Während Open-World-Games auf dem PC und Konsolen zu den erfolgreichsten Videospielgenres gehören, fristen sie im VR-Gaming ein Nischendasein. Der Grund: Die Entwicklung und Vermarktung solcher Spielebrocken verschlingt hunderte Millionen US-Dollar, eine Investition, die sich in der VR-Nischen nicht wieder hereinholen ließe. Selbst VR-Portierungen sind eine Seltenheit, die große Studios kaum je anstrengen, weil die Einnahmen vernachlässigbar klein wären. Skyrim VR ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Weil die Publisher nicht liefern und große Nachfrage seitens Hardcore-Spielern besteht, entstand in den letzten Jahren eine lebendige Mod-Community, die 2D-Hits für PC-VR adaptiert. Der bekannteste Modder ist ein Entwickler mit dem Pseudonym Luke Ross, der im Alleingang VR-Unterstützung für Titel wie GTA 5, Red Dead Redemption 2, die Mafia-Trilogie, Cyberpunk 2077 und Horizon: Zero Dawn programmierte.

Auf Patreon hat Ross derzeit mehr als 2.000 Unterstützer:innen, die ihm monatlich 10 US-Dollar für den Zugang zu den neuesten Versionen seiner Mods überweisen. Die Abonnentenzahl steigt und fällt über das Jahr hinweg und nach Abzug der Patreon-Gebühren und Steuern bleiben noch rund 10.000 US-Dollar Einkommen pro Monat übrig, verrät mir Ross in einer E-Mail. Das entspricht dem Gehalt eines leitenden Spielentwicklers oder übertrifft dieses sogar. Keine Frage: Ross hat eine Marktnische entdeckt und aus seinem Hobby einen lukrativen Traumberuf gemacht. Ein Trick, den ihm so bald niemand nachmachen wird.

Ein Bild der PS5-Version von Grand Theft Auto 5. | Bild: Rockstar Games

Vor seiner Modding-Karriere war Ross ein freiberuflicher Softwareentwickler mit einer großen Leidenschaft für Videospiele. „Ich war mein ganzes Leben lang Gamer und habe neue Technologien schon immer geliebt, vor allem, wenn sie ein immersiveres Spielerlebnis ermöglichen, zum Beispiel 3D-Brillen“, sagt mir Ross. Für die aufkommende Virtual Reality war er Feuer und Flamme: 2012 gehörte Ross zu den ersten Unterstützern des Oculus-Kickstarters.

Ross begann weit früher mit Modding. Als großer Fan des Ego-Shooters No One Lives Forever 2, entwickelte er eine Mod, die das Spiel mit Nvidia 3D Vision und der dazugehörigen 3D-Shutterbrille kompatibel machte. Als die ersten kommerziellen VR-Geräte auf den Markt kamen, zögerte Ross nicht und programmierte eine Mod, die NOLF 2 mit VR-Brillen spielbar machte. Das war 2017. „Die Reaktion war sehr positiv und ermutigend, was mich später dazu veranlasste, ein viel größeres und komplexeres Spiel in Angriff zu nehmen: GTA 5“, sagt Ross. Das Ergebnis: Seine R.E.A.L.-Mod wurde von mehr als 150.000 Nutzern heruntergeladen. „Danach habe ich beschlossen, den Sprung zu wagen und herauszufinden, ob ich Vollzeit-Modder werden kann.“

Wenn die Nachfrage besteht, weshalb portieren die großen Studios dann ihre Spiele nicht selbst, frage ich Ross. „Das ist eine traurige Kombination mehrerer Faktoren“, meint der VR-Modder. In den frühen Hype-Jahren, also zwischen 2012 und 2016, sei „alles viel zu schnell passiert“. Überzogene Erwartungen vonseiten der Investoren und Spielern seien „hemmende Faktoren“ für eine gesunde Entwicklung des VR-Markts gewesen. Der letzte Sargnagel, so meint Ross, war das unglückliche Timing bei der Einführung von VR-Controllern gewesen.

„Von Spielentwicklern wurde plötzlich erwartet, dass sie Spiele nach einem völlig anderen Paradigma entwickeln, als sie es in der Vergangenheit getan hatten: Alles in ihren Spielen sollte nun interaktiv sein und auf virtuelle Hände reagieren“, erklärt Ross.

Die Studios und Publisher hätten auf diese Herausforderung abwehrend reagiert. „Als sie unter Druck gesetzt wurden, ein völlig anderes Produkt zu liefern, das auf einen Nischenmarkt zugeschnitten war, der zudem noch in den Kinderschuhen steckte und keine großen Gewinne abwerfen konnte, haben sie einfach dichtgemacht und beschlossen, Virtual Reality als vorübergehende Modeerscheinung anzusehen und zu ignorieren“, sagt Ross. Besser wäre es gewesen, wenn die VR-Hersteller zumindest für den Anfang auf Gamepad-VR gesetzt hätten, statt den Rest der Industrie mit voreiligen Innovationen abzuschrecken, so Ross‘ These.

„Was VR ausmacht, ist, dass man im Spiel ist und nicht jedes Mal mit den Armen herumfuchteln muss, wenn man mit etwas interagiert. Das gilt besonders für Spiele, die Hunderte von Stunden dauern, wie die großen Open-World-Titel. Bei solchen langen Spielsitzungen möchte man sitzen und die Hände entspannt im Schoß haben“, meint Ross, der in seinen Mods bewusst keine Unterstützung für Bewegungssteuerung anbietet.

Die dystopische Zukunft von Cyberpunk 2077. | Bild: CD Projekt Red

Seine Kritik trifft auch Valve, die ein widersprüchliches Verhalten an den Tag gelegt hätten. Das Unternehmen hätte zum einen eine unerreichbar hohe Messlatte gelegt mit Half-Life: Alyx und dem Beharren darauf, dass „alles auf neue und fantastische Weise speziell für VR gemacht werden muss“. Zum anderen hätte Valve eine „unglaubliche Kehrtwende“ vollzogen, indem sie sämtliche VR-Projekte aufgaben und auf Steam Deck umschwenkten. „Was für eine merkwürdige Art, ein Beispiel für den VR-Markt zu setzen“, meint Ross.

Seine Agenda sei simpel: Er wolle den Glauben der Verbraucher und Entwickler wiederherstellen, „dass VR jetzt und hier möglich ist“. Der VR-Markt müsse sich erst entlang gewohnter Gaming-Paradigmen entwickeln. Erst wenn er gereift ist, könnten Investoren neue Interaktionsformen in Erwägung ziehen. „Der Versuch, das Gegenteil zu tun, also nach großen Investitionen zu fragen, bevor der Markt bereit ist, ist ein sicherer Weg, die goldene Gans zu töten und am Ende mit nichts zu enden“, sagt Ross.

Der VR-Modder verdient gut an fremden Spielen. Könnte es sein, dass das zu einem Problem wird und die großen Publisher seinen Projekten einen Riegel vorschieben? Ross hat keine Sorgen diesbezüglich. „Die Situation unterscheidet sich von der anderer Modder, denn ich biete nur eine zusätzliche Option, die Originalspiele zu erleben, was letztlich mehr verkaufte Exemplare für die Studios und Publisher bedeutet“, meint Ross.

Ein bestimmtes Konfliktszenario kann er sich dennoch vorstellen: wenn die Eigentümer einer Spielemarke eine eigene VR-Portierung entwickeln, die in Konkurrenz zu seinen VR-Mods steht. In diesem Falle wäre er bereit, ein Projekt einzustampfen oder aber eine Win-win-Situation auszuhandeln.

Wäre es denkbar, dass er bei einem großen Studio anheuert, um eine offizielle VR-Portierung zu entwickeln? Für Ross kommt das derzeit nicht infrage. „Ich bekam ein paar interessante Offerten, aber ich habe das Gefühl, dass ich als unabhängiger Modder einen viel größeren Einfluss und eine größere Befriedigung durch meine Tätigkeit habe“, sagt der VR-Modder. Ein Ende seiner Arbeit sieht er nicht in Sicht. „Solange die Leute daran interessiert sind, riesige Open-World-Spiele in VR zu spielen, solange werde ich weitermachen.“

Dieser Beitrag erschien am 17. April 2022 bei MIXED. Das US-Techmagazin The Verge griff das Thema auf und brachte am 1. Juli einen eigenen Artikel mit ähnlicher Überschrift heraus. Wenig später drohten Take-Twos Anwälte, rechtliche Schritte gegen Patreon einzuleiten. Luke Ross sah sich gezwungen, alle VR-Mods von Spielen des Publishers der Förderplattform zu entfernen. Davon betroffen waren die Mods von GTA 5, Red Dead Redemption 2 und Mafia Definitive Edition.