Das iPhone ist eine Sackgasse für Metas AR-Pläne

Metas erste richtige, AR-Brille, das Kernstück von Zuckerbergs Metaverse-Vision und eine Geräteklasse, die Metas CEO als „heiligen Gral“ bezeichnet, soll nach aktuellen Berichten 2026 auf den Markt kommen. Vorausgesetzt natürlich, dass technische Herausforderungen diese Pläne nicht vereiteln.

„Unsere Vision einer echten AR-Brille erfordert jahrelange Fortschritte bei der Entwicklung von schlankeren, leichteren, schnelleren und leistungsfähigeren Geräten, die gleichzeitig viel weniger Strom verbrauchen und weniger Wärme erzeugen“, sagte Metas Technikchef Andrew Bosworth kürzlich in einem Jahresrückblick. Er bestätigte, dass rund die Hälfte von Metas Metaverse-Investitionen in die Entwicklung der AR-Technik fließt.

Eine AR-Brille muss zum einen sehr leistungsfähig und viele Stunden durchhalten, auf der anderen Seite schlank und modisch sein. Mit gegenwärtigen Chips und Batterien lässt sich dieses Ziel nicht erreichen, weshalb die Hauptrecheneinheit höchstwahrscheinlich an eine externe Recheneinheit ausgegliedert wird. Ein Smartphone wäre prädestiniert für diese Aufgabe, schließlich handelt es sich um einen Taschencomputer.

Hier fangen die Probleme für Meta an. Das iPhone dominiert den Smartphone-Markt in den USA, aber kommt als Recheneinheit eher nicht infrage. Zumindest für Meta. Der Grund ist, dass Apple als Hersteller des iPhones privilegierten Zugriff auf Hardware und Schnittstellen hat und es Meta sehr schwierig machen kann, das Smartphone als externe Recheneinheit zu nutzen. Meta ist in dieser Hinsicht dem Wohlwollen Apples ausgeliefert. Wenn man bedenkt, dass der Konzern eine eigene AR-Brille in Entwicklung hat, kann man sich schon ausrechnen, wie entgegenkommend Apple sein wird. Egal, wie gut Metas AR-Brille wird, sie wird niemals so nahtlos mit iOS zusammenarbeiten wie Apples eigenes Produkt.

Dies legt auch der jüngste Bericht von The Information nahe, der beschreibt, wie Meta „monatelang versuchte“, die im September 2021 gestartete Videobrille Ray-Ban Stories, ein potenzieller Vorgänger von Metas AR-Brille, am iPhone zum Laufen zu bekommen. „Meta wollte, dass die mit der Brille aufgenommenen Fotos automatisch auf das Smartphone der Nutzer heruntergeladen werden, ohne dass diese die Meta-App öffnen müssen. Aber aufgrund der Funktionsweise der Apple-Software konnte das Team den automatischen Download nicht durchführen, wenn das Telefon inaktiv war. In letzter Minute musste Meta den Kurs ändern, was zu einem Chaos vor der Markteinführung des Produkts führte“, heißt es in dem Bericht.

Meine Ray-Ban Stories und mein iPhone SE. | Bild: Tomislav Bezmalinović

Ich besitze die Ray-Ban Stories und kann bestätigen, dass das Herunterladen von Bildern und Videos recht umständlich ist – oder zumindest eleganter gelöst sein könnte. Zuerst muss man Metas eigene Smartphone-App öffnen, dann auf die Bluetooth-Verbindung zwischen Brille und Smartphone warten (oder diese manuell initiieren) und anschließend das Herunterladen starten. Gäbe es die gleiche Ray-Ban Stories mit gleichem Funktionsumfang von Apple, bei der dieser Vorgang automatisiert wäre, würde ich wohl Apples Produkt kaufen. Und das ist nur ein Beispiel, wie Apple die Nutzung erleichtern könnte, um einen Wettbewerbsvorteil zu gewinnen.

The Information schreibt weiter, dass Meta versuchte, eine Smartwatch zu entwickeln, die als externe Recheneinheit taugte. Doch das erste von drei geplanten Geräten wurde dieses Jahres aufgegeben. Das Unternehmen arbeite außerdem an einem Taschencomputer, der die Form eines Smartphones hat, heißt es weiter. Doch auch hier kann man suggestiv fragen, was Konsumenten bevorzugen werden: eine AR-Brille, die sich bequem mit einem iPhone betreiben lässt oder eine AR-Brille, die zusätzlich zum iPhone eines weiteren Geräts bedarf. Metas AR-Brille wird das Smartphone nicht auf Anhieb ersetzen können.

Andrew Bosworth räumte dieses prinzipielle Problem Metas in einer Frage-und-Antwort-Runde bei Instagram ein. Mit großer Wahrscheinlichkeit und auf absehbare Zeit würden die ersten richtigen AR-Brillen eine externe Recheneinheit voraussetzen, meinte Metas Technikchef. Er fügte hinzu, dass Apples potenzieller Vorteil sei, dass Kunden bereits eine solchen bei sich haben und kein zusätzliches Gerät mit sich tragen müssen.

Letzten Endes will Meta aus Apples und Googles Ökosystem ausbrechen und eine eigene, neue Computerplattform begründen. Das ist Sinn und Zweck von Zuckerbergs großem Metaverse-Plan. Das Problem für Meta ist, dass dieser Übergang fließend ist: Die Menschheit wird nicht von einem Tag von Smartphones auf AR-Brillen wechseln. Erstere stellen das herrschende Computerparadigma dar und das dürfte noch lange so bleiben. Meta benötigt das Smartphone, um darüber in eine neue Computerplattform hinauszuwachsen. So gesehen ist Googles und Apple Ökosystem so etwas wie eine Leiter. Die Frage ist, ob sie Zuckerberg trägt – oder unter ihm zusammenbricht.

Dieser Beitrag erschien am 25. Dezember 2022 bei MIXED.