VR & AR

JFK Memento: Metas VR-Film macht Geschichte neu erfahrbar

Der 22. November 1963 ist ein Tag, der Amerika für immer veränderte. Vor genau sechzig Jahren fiel John F. Kennedy in Dallas einem Attentat zum Opfer, um das sich bis heute Verschwörungstheorien ranken.

JFK Memento rekonstruiert den Anschlag und die darauffolgenden 48 Stunden minutiöse und auf eine Art, wie es nur Virtual Reality kann. Ich habe mir den VR-Dokumentarfilm mit Meta Quest 3 angesehen und kann ihr nur empfehlen. So greifbar nahe kommt man den historischen Geschehnissen mit keinem anderen Medium.

Der rund 40-minütige Film erzählt in fünf Kapiteln, was sich an jenem Tag zutrug. Zum einen durch Interviews mit den letzten lebenden Zeugen, Journalisten und Ermittlern. Zum anderen durch historisches Archivmaterial, das für Virtual Reality aufbereitet wurde. Hierfür kooperierte das verantwortliche VR-Studio mit The Sixth Floor Museum in Dallas zusammen, das in jenem Gebäude und Stock untergebracht ist, von dem aus Lee Harvey Oswald auf den US-Präsidenten schoss.

Das Fenster im sechsten Stock des Texas School Book Depository, von dem aus Oswald auf Kennedy geschossen haben soll. Man beachte das historische Schwarz-Weiß-Beweisfoto, das über die 3D-Rekonstruktion des Orts gelegt wurde. | Bild: Targo

JFK Memento transportiert Zuschauer an akkurate 3D-Rekonstruktionen wichtiger Schauplätze wie dem Dealey Plaza, dem sechsten Stockwerk des Texas School Book Depository und der Garage, in dem Lee Harvey Oswald zwei Tage nach dem Attentat vom Nachtclubbesitzer Jack Ruby erschossen wurde. Der VR-Film projiziert Archivmaterial passgenau und perspektivisch korrekt in die 3D-Szenerie und macht sie durch räumliche Kontextualisierung auf neue Art erfahrbar.

Für die digitale Nachbildung dieser Orte nutzte das VR-Studio Original-Grundrisse, Laserscans, Fotogrammetrie und andere fortschrittliche 3D-Rekonstruktionsverfahren. Besonders beeindruckend ist das farbige Filmmaterial, das die Ankunft des Präsidenten in Dallas zeigt. Dieses wurde mithilfe von KI-Technik in hochauflösendes stereoskopisches Video umgewandelt und gewinnt dadurch eine Lebendigkeit und Tiefe, die die Stimmung jenes Tages perfekt einfängt.

Mir hat JFK Memento außerordentlich gut gefallen, weil es die Schauplätze dieser Tragödie, so wie sich damals darstellten, räumlich wiedergibt, gerade so, als würde man sich tatsächlich in ihnen einfinden. Durch diese räumliche Erzählform lassen sich die Ereignisse besser verstehen, verknüpfen und einordnen. Der Dokumentarfilm verzichtet auf brutale Aufnahmen des Attentats und ist damit für Familien, Schulen und Museen geeignet.

Produziert wurde JFK Memento von Targo, einem Pariser VR-Studio, das sich auf die Produktion hochwertiger VR-Dokumentarfilme spezialisiert hat, darunter Surviving 9/11, Behind the Dish und das Emmy-nominierte Rebuilding Notre-Dame. Das jüngste Werk entstand wie frühere mit Unterstützung Metas.

Dieser Beitrag erschien am 22. November 2023 bei MIXED.

Die VR-Industrie ist nichts für Wendehälse und Weichlinge

Pico schickte sich an, Metas VR-Monopol herauszufordern. Nun wankt und bröckelt das Unternehmen, zum Leidwesen von Studios, Verbrauchern und der VR-Industrie im Ganzen. Was ist passiert?

Die TikTok-Eigentümerin Bytedance kaufte den chinesischen VR-Brillenhersteller im Sommer 2021. Im Herbst 2022 kam Pico 4 auf den westlichen Markt. Es war das erste VR-Headset, das Meta Quest 2 technisch und preislich herausforderte. Die Presse begrüßte den Auftritt des Konkurrenten. Signifikante Marktanteile abgraben konnte das Gerät Meta jedoch nicht.

Seit ein paar Wochen häufen sich Gerüchte um eine einschneidende Restrukturierung des Unternehmens. Die Rede ist von umfangreichen Entlassungen, gestoppten Software-Projekten und einer Neuausrichtung, nach der Pico produktstrategisch Apple statt Meta nacheifern werde. Pico selbst beteuerte in einer Stellungnahme, dass das Unternehmen weiterhin in die Zukunft der eigenen Plattform investieren werde. Aber konkrete Aussagen, wie diese aussehen könnte, gab es bislang nicht. Kommt eine Pico 5, wird weiterhin in VR-Spiele investiert? Wir wissen es nicht. Die Berichte und Picos spärliche Kommunikation nähren Zweifel und werfen die Frage auf, ob man als VR-Studio oder Verbraucher weiterhin in die Plattform investieren soll.

Pico hatte ein einziges Produkt für westliche Konsument auf den Markt gebracht und knickt nach mäßigem Erfolg bereits ein. War Bytedance denn nicht klar, dass es viele Jahre und Milliarden investieren müsse, um mit Meta auch nur Schritt zu halten? Noch schlimmer: Pico will nun offenbar mit Apple wetteifern, obwohl es nicht mal an Metas Lack kratzen konnte.

Werbematerial von Pico. Abgebildet ist eine Pico 4. | Bild: Pico

Nach dem Launch der Pico 4 nannte ich fünf Gründe, weshalb ich (noch) nicht bereit bin, auf Picos Ökosystem umzusteigen. Einer dieser Gründe sind Zweifel hinsichtlich des langfristigen Investitionswillen Picos und dessen Mutterfirma Bytedance „Virtual Reality wird auf viele Jahre hin ein Verlustgeschäft bleiben. Entsprechend viel Ausdauer benötigen Firmen und Innovationsträger. Besonders, wenn der Konkurrent Meta heißt und einen signifikanten Vorsprung hat. Gibt Bytedance vorzeitig auf und fährt die Investitionen zurück, könnte das Ökosystem zusammenbrechen, bevor es überhaupt durchgestartet ist“, schrieb ich.

Meine Zweifel sind berechtigt und richten sich ebenso gegen andere Unternehmen, die in den kommenden Jahren auf den Markt drängen werden. Zum Beispiel Samsung und Google, die sich in der Vergangenheit bereits an VR versuchten, nur um die Plattform wieder aufzugeben, nachdem der Erfolg ausgeblieben war. Unternehmen sind in der Regel von Profit getrieben und Virtual und Augmented Reality sind keine Wirtschaftszweige, die unmittelbaren Gewinn versprechen. Sie sind eine waghalsige Wette, die man, wenn überhaupt, langfristig denken muss.

Der Pfad der VR-Geschichte ist gepflastert mit Plattformleichen und wer jemals zu einer solchen Plattform gehörte, wird sich zweimal fragen, ob das Risiko eines Wiedereinstiegs lohnt. Deswegen schaden Unternehmen, die nur ausprobieren, der Industrie. Valve hat sich eine blutige Nase geholt, ebenso Sony. Und Apple steht, wie ich glaube, kurz davor. Von Valve sah man lange nichts mehr in diesem Bereich, Sony gibt offen zu, dass Playstation VR 2 nur eine Nebenrolle spielt und ob Apple in drei Jahren noch das Lied des Spatial Computing singt, das warte ich erst mal ab. Neben Meta traue ich Apple noch am ehesten zu, langfristig zu denken und die Versprechen zu halten. Aber ich kann mich täuschen.

Dieser Beitrag erschien am 19. November 2023 bei MIXED.

Die Luxus-VR-Brilen kommen, aber sie werden nicht viel verändern

Apple Vision Pro kommt Anfang nächsten Jahres in den USA auf den Markt. Der Startpreis von 3.500 US-Dollar impliziert, dass das Gerät je nach Ausstattung noch mehr kosten kann.

Glaubt man Gerüchten, wird die Konkurrenz nicht lange auf sich warten lassen: Samsung, Google und Meta arbeiten an einer Antwort auf Apples Mixed-Reality-Headset und in all diesen Geräten dürfte ein brandneuer Qualcomm-Chip arbeiten, der, so die Hoffnung, mit Apples Chipsätzen mithalten kann. Das bedeutet, dass diese Headsets teuer werden. Sie werden sich an Unternehmen, Profis und Enthusiast, nicht an Konsument richten.

Werden Vision Pro und andere Geräte dieser Preisklasse den Markt entscheidend vergrößern? Ich denke: kein bisschen. Um wirklichen Nutzen zu stiften (etwa als Laptop-Ersatz) und im Alltag der Menschen anzukommen, müssen Headsets nicht nur einfach zu nutzende Allzweckgeräte werden, sondern auch so leicht und bequem werden, dass man sie kaum mehr als Headsets wahrnimmt. Vision Pro und Co. könnten in den ersten Bereich vorstoßen, der zweite hingegen ist noch außer Reichweite.

Ein Mann schaut sich ein Panoramafoto mit Apple Vision Pro an. | Bild: Apple

Nach Palmer Luckeys Auffassung müssen VR-Headsets erst etwas werden, das alle haben wollen, bevor sie zu etwas werden, das sich alle leisten können. Ich bin skeptisch, ob sie mit der heutigen Technologie schon so gut genug sein können, dass sie alle haben wollen. Die kritische Masse technischer Eigenschaften ist nicht erreicht.

Dennoch ist das Projekt autarker Luxus-Headsets, und zwar insofern, als sie die technische Innovation vorantreiben. Sei es in Bezug auf Hard- oder Software. Erschwingliche Headsets wie Meta Quest 3 haben nicht einmal Eye-Tracking verbaut und bremsen allein schon dadurch den Fortschritt aus. Das Gleiche gilt für andere Sensortechnik. Es wird interessant zu beobachten sein, welche neuen Anwendungen höherwertige Hardware dadurch ermöglicht, dass sie Bestehendes einfach nur gut genug macht.

Wer die Industrie seit zehn oder mehr Jahren verfolgt, vergisst gerne, dass VR und AR technologisch noch am Anfang stehen. Die aktuell besten Headsets sind auch die schlechtesten, weil alle folgenden besser werden. Die erste Generation autarker Luxus-Headsets werden die Industrie nicht umkrempeln, aber davon sollte man sich nicht entmutigen lassen.

Dieser Beitrag erschien am 11. November 2023 bei MIXED.

Meta Quest braucht Android-Apps, aber Google sperrt sich

Meta Quest läuft auf Basis von Android, weshalb es im Grunde ein Leichtes wäre, beliebte Smartphone-Apps aus dem Google Play Store mit ein wenig Portierungsaufwand auf die VR-Plattform zu bringen.

Meta führte im November 2021 mit System-Update 34 Unterstützung für 2D-Apps im Quest Store ein. Zu den ersten unterstützten Android-Apps gehörten Facebook, Instagram, Smartsheet und Spike. Mehr Apps würden folgen, hieß es. Doch zwei Jahre später hat sich kaum etwas getan.

Messenger wurde in die VR-Plattform integriert und im September 2023 kam Whatsapp als 2D-App hinzu. Reichlich spät, wenn man bedenkt, dass der Messaging-Dienst Meta gehört. Von Youtube und Netflix gibt es dedizierte VR-Apps, die seit Langem nicht mehr gepflegt werden. Andere essenzielle Android-Apps mit Millionen von Nutzer wie Discord, Spotify, Twitter und Reddit fehlen. Der Quest Store führt derzeit gerade mal zehn 2D-Apps.

Meta Quest benötigt die Anbindung an das Android-Ökosystem. Die wenigsten Nutzer möchten sich beim Aufsetzen des Headsets von den Apps und Plattformen abkoppeln, die sie durch den Tag begleiten. Konkurrent Apple weiß das und so wird Vision Pro von Haus aus die meisten iPhone- und iPod-Apps unterstützen. Ein riesiger Vorteil für Apple.

Alle derzeit verfügbaren 2D-Apps im Meta Quest Store. | Screenshot: TB

Während Apple volle Kontrolle über Soft- und Hardware seines Ökosystems hat, ergibt sich bei Meta ein ganz anderes Bild. Meta ist von anderen Akteuren abhängig: von den großen Plattformbetreibern und Entwickler und nicht zuletzt Google selbst. So jedenfalls stellt es Metas Technikchef Andrew Bosworth dar.

In seiner jüngsten Frage-und-Antwort-Runde auf Instagram geht Bosworth auf die mangelhafte Unterstützung von 2D-Apps ein und macht deutlich, dass es nicht an Meta liege, die Situation zu verbessern. Bosworth fordert die VR-Nutzer auf, sich an die App-Entwickler zu wenden:

„Ich möchte darauf hinweisen, dass die Entwickler dieser Android-Apps sie gerne als APKs in unseren Store bringen können. Es ist ein ziemlich unkomplizierter Prozess. Ihr solltet euch also auf jeden Fall an eure Entwickler-Communities wenden und sie ermutigen, ihre Apps auf die Plattform zu bringen.“

Etwas später kommt er noch einmal auf die Problematik zu sprechen:

„Es gibt nichts, was Android-Entwickler daran hindert, ihre Smartphone-APK in die VR zu bringen. Sie müssen uns nur die APK schicken, und vielleicht ein paar wenige Modifikationen vornehmen, je nachdem, wie sie die Bedienung haben wollen, aber vielleicht nicht einmal so viel. Wir haben keine Möglichkeit, die Apps automatisch einzulesen. Wir würden uns freuen, wenn Google seinen Play Store für VR zur Verfügung stellen würde. Wir haben sie gefragt, aber sie wollen es nicht tun. Es liegt also in gewisser Weise an den Entwickler, das zu tun.“

Etwas Grundlegendes an der Situation ändern dürfte sich erst, wenn Quest viele Millionen tägliche Nutzer erreicht und Plattformbetreiber sowie Entwickler Vorteile darin sehen, ihre Apps für die Plattform herauszubringen und aktuell zu halten.

Dieser Beitrag erschien am 7. November 2022 bei MIXED.

Dieser Bildschirm kommt ohne Atome aus

Mark Zuckerberg zeichnet diese Vision seit vielen Jahren: Eines Tages werden wir schicke AR-Brillen tragen, die Hologramme in die Welt projizieren und Objekte ersetzen, die nicht unbedingt in physischer Form existieren müssen. Dazu könnte auch jede Art von Bildschirm gehören.

Mit Quest 3, dem ersten erschwinglichen Mixed-Reality-Headset, geht Meta den ersten Schritt in diese Richtung. Das Gerät fängt die physische Umgebung mit Sensoren ein und reproduziert sie in digitaler Form auf den Displays, wo sie beliebig manipuliert und erweitert werden kann. Zum Beispiel um virtuelle Bildschirme, die bei Bedarf in der wirklichen Umgebung verankert werden können. Etwa an der Wand oder in der Nische, wo der physische Fernseher steht.

Diese Art digitaler Mischrealität ist noch weit von Alltagstauglichkeit entfernt. Quest 3 ist ein schweres Headset, keine Brille und die Auflösung und Darstellungstreue der reproduzierten physischen Welt ist längst nicht perfekt. Und dann wäre noch die Software selbst, die Zuckerbergs Vision hinterherhinkt.

Der US-Entwickler Thomas Ratliff kann an den ersten beiden Dingen nichts ändern, aber mit ein paar Software-Tricks hat er einen virtuellen Bildschirm geschaffen, der schon jetzt täuschend echt wirkt. Auf Twitter zeigt er einen Mixed-Reality-Screen, der Global Illumination und Reflexionen in Echtzeit unterstützt. Man beachte, wie der Bildschirm nahe Oberflächen realistisch erhellt und wie sich das Bild auf dem Tisch spiegelt.

Zwei Einschränkungen hat die Techdemo: Zum einen wird der Bildschirm laut Ratliff auf einem PC und nicht nativ auf Meta Quest 3 gerendert. Zum anderen handelt es sich nur um einen Videoplayer, keinen Nintendo-Switch-Emulator oder eine andere App, die Spiele in Echtzeit rendert.

Ratliff schreibt auf Twitter, dass er sein Programm möglicherweise weiterentwickeln und in Metas App Lab oder auf Sidequest veröffentlichen will. Möglicherweise kommt ihm auch jemand zuvor. Schließlich gibt es bereits eine Reihe von Videoplayer-Apps für Meta Quest 3. Die äußerst beliebte App Virtual Desktop, mit der man den PC-Bildschirm in das Headset streamen kann, unterstützt bereits die Passthrough-Ansicht. Auch Youtube VR könnte ein entsprechendes Feature bringen oder Meta selbst. All das ist nur eine Frage der Zeit und Schnittstellen-Unterstützung seitens Meta.

Ob realistische virtuelle Monitore Mixed-Reality-Headsets wie der Quest 3 und der kommenden Apple Vision Pro zum Durchbruch verhelfen werden, ist fraglich, aber ein unabdingbares Feature auf ihrem Weg zum ultimativen Display sind sie allemal.

Dieser Beitrag erschien am 30. Oktober 2023 bei MIXED.