Meta Quest 2: Die Verkaufszahlen sind nicht das Problem

Meta dürfte mittlerweile an die zehn Millionen Geräte verkauft haben. Das gilt als relativ gesichert. Wer sich mit Metas VR-Historie auskennt, weiß: Zehn Millionen ist eine wichtige Zahl.

Im Jahr 2018 definierte Mark Zuckerberg zehn Millionen Nutzer:innen auf einer einzelnen VR-Plattform als vorläufiges Ziel. Sei diese Marke erreicht, könnten es sich Studios leisten, hochwertigere VR-Inhalte zu entwickeln, die wiederum mehr Nutzer ins Ökosystem spülen wurden, die diese Inhalte kaufen. Das Ergebnis, so meinte Zuckerberg auf der Bühne der Oculus Connect 5, wäre ein explosionsartiges Wachstum.

Im vergangenen Sommer zog Metas Technikchef Andrew Bosworth ein erstes positives Fazit: „Es läuft wirklich gut. Als wir uns auf der Connect dieses Ziel setzten, hatten wir einen Zeitplan im Kopf und ich bin überzeugt davon, dass es eher passieren wird, als wir ursprünglich erwarteten.“ Den Zeitraum, für den Meta das Erreichen dieses Ziels erwartet oder wann es denn so weit sein könnte, verriet Bosworth nicht.

Wenn Meta wirklich zehn Millionen Einheiten verkauft hat, wieso feiert die Firma diese Marke nicht lautstark als Erfolg? Diese Frage stellte sich kürzlich der Metaverse-Blogger Wagner James Au. Einer seiner Leser lieferte ihm eine mögliche Antwort: Die aktiven Nutzer könnten gegenüber den Hardware-Verkaufszahlen deutlich abfallen. Eine schlechte Metrik bei der regelmäßigen Nutzung, der sogenannten Retention, wäre für die Außenwirkung von Metas VR-Investitionen negativ.

An dieser These könnte etwas dran sein. Hören wir uns Zuckerbergs Keynote aus 2019 noch einmal an, so wird klar: Der CEO bezog sich nicht auf Verkäufe, sondern auf „Menschen, die VR-Inhalte nutzen und kaufen“. Zwei Jahre später sagte Zuckerberg in einem Interview mit The Verge: „Aus der Perspektive des Ökosystems waren wir der Meinung, dass eine kritische magische Zahl erreicht ist, wenn wir zehn Millionen aktive Einheiten erreichen. Ab diesem Punkt haben wir ein selbsttragendes Ökosystem.“ Zuckerberg fügte hinzu, dass er optimistisch sei, dieses Ziel in den „nächsten Jahren“ zu erreichen.

Den Erfolg von VR bemisst Meta also weniger an Hardware-Verkaufszahlen, als an wiederkehrenden Nutzer und deren Nutzungsdauer – die Grundlage für wachsende Umsätze. Selbst wenn Meta also zehn Millionen Geräte verkauft hat: Von zehn Millionen aktiven VR-Nutzer könnte das Unternehmen weit entfernt sein – und aus diesem Grund stets andere Metriken wie App-Store-Meilensteine und Entwicklerumsätze nennen, wenn es über Erfolge sprechen will.

Könnte es sein, dass viele Quest-Geräte selten genutzt werden? Jedenfalls seltener als andere Spieleplattformen wie Smartphones, Konsolen und PCs?

Meta demonstriert die Profitabilität des Quest-Ökosystems gern mit Entwicklerumsätzen. Das letzte Update stammt vom Februar 2022. | Bild: Chris Pruett @ Twitter

Dass viele Quest-Brillen ungenutzt im Schrank liegen, bestätigte Ende letzten Jahres der ehemalige Oculus-Technikchef John Carmack. Die Retention scheint also selbst mit autarken VR-Headsets noch eine Herausforderung für Virtual Reality zu sein. Auch der Hardware-Analyst und Leaker Brad Lynch hört laut eigenen Angaben häufiger von seinen Quellen, dass die Retention noch immer ein großes Problem ist.

Ein möglicher Grund: VR ist anspruchsvoll. Spieler müssen ihren Spielbereich einzeichnen, womöglich Platz freiräumen, unter Umständen körperlich aktiv sein, statt im Sitzen zu spielen. Die 360-Grad-Immersion und die natürliche Interaktion in VR mit dem eigenen Körper sind eindrucksvoll und der große Pluspunkt des Formats. Zugleich ist VR dadurch kognitiv anspruchsvoller als herkömmliche Medien.

Tolle Inhalte könnten Spieler regelmäßiger zurückbringen, meinte Carmack. Es sei jedoch auch möglich, dass erst die Hardware besser und leichter werden und mehr Funktionen für größeren Mehrwert gegenüber anderen Unterhaltungsformen bieten müsse, oder dass die VR-Brille schneller starten und einsatzbereit sein muss.

Dieser Beitrag erschien am 13. August 2022 bei MIXED.

Virtual Reality braucht etwas länger – und das ist in Ordnung

Die spontane Preiserhöhung der Meta Quest 2 überraschte viele und wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Verkäufe auswirken. Die Frage ist, wie stark. Die Meta Quest 2 trug wie kein anderes Headset zum Wachstum des VR-Markts bei. Geht die Nachfrage stark zurück, werden die Folgen in der gesamten Branche zu spüren sein.

Die Zeiten billiger Virtual Reality sind vorbei. Kommende Headsets wie die Playstation VR 2 und Pico 4 dürften dem Trend folgen. Auch weil sie neue Technik einführen, dürften sie nicht günstig sein. Von Quest Pro und dem Apple-Headset ganz zu schweigen.

Die aggressive Bepreisung der Meta Quest 2 war nur möglich, weil Meta gut auf dem Werbemarkt verdient. Jetzt, wo dieses zumindest vorübergehend schwächelt, sah sich Meta gezwungen, die Subventionen zurückzufahren. Das Preisdumping hat seinen Zweck dennoch erreicht: Meta kontrolliert den VR-Markt fast vollständig.

Die Preiserhöhung ist ein erster Kompromiss seitens Meta an die hohen Investitionen. Das Unternehmen signalisierte ansonsten immer, Virtual Reality voranbringen zu wollen – koste es, was es wolle. Die Nachricht dürfte Schockwellen in Richtung VR-Studios gesendet haben. Wankt der Riese nun doch? Das mochte sich das eine oder andere Studio gefragt haben, das seine Zukunft auf VR wettet.

Mark Zuckerberg mit Holocake 2, einem funktionsfähigen PC-VR-Prototyp, der den Formfaktor zukünftiger VR-Headsets demonstrieren soll. Die Technologie dürfte nach Metas Einschätzung erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Eingang in Endverbraucherprodukte finden. | Bild: Meta

Das Ende der Tiefpreisperiode, so argumentierte ich bereits, war dennoch unausweichlich. Virtual Reality muss ab einem Punkt auf eigenen Füßen stehen. Dieser Moment rückt immer näher und damit die Frage, ob Endverbraucher bereit sind, die Kosten für Forschung und Entwicklung anteilig stärker zu tragen.

Bei anderen elektronischen Geräten wie dem Fernseher, Computer und Smartphones war das der Fall. Wie schnell sich eine Technologie entwickelt und Iterationen folgen, bestimmt die Nachfrage. Virtual Reality wird den gleichen Weg gehen müssen, ohne Tiefstpreise, die ein verzerrtes Bild der Nachfrage zeichnen.

Die Technologie muss sich behaupten und Kunden an sich binden, unabhängig von ihrem technischen Reifegrad. Virtual Reality steckt noch immer in den Kinderschuhen, richtig! Aber das kann die Industrie nicht mehr als Ausrede für mangelndes Mainstream-Interesse vorbringen. Fernseher, Computer und Smartphones: Sie setzten sich durch, obwohl sie anfänglich und im Vergleich zu heute primitiv waren.

Benötigt Virtual Reality wirklich fundamentale Verbesserungen, um auf breitere Akzeptanz zu stoßen? Die nächsten Jahre werden ein klareres Bild zeichnen. Rasche Durchbrüche darf man nicht erwarten. Technologische Quantensprünge sind selten und werden, gemessen an der bisherigen Entwicklung, ein, vielleicht zweimal in einem Jahrzehnt stattfinden. Eine Abkürzung gibt es nicht.

Dieser Beitrag erschien am 7. August 2022 bei MIXED.

Meta Quest 2 wird teurer – Weshalb das gut ist

Elektronik wird normalerweise günstiger, je älter sie wird. Bei Meta Quest 2 ist es umgekehrt.

Bald zwei Jahre nach Erscheinen der VR-Brille wird das Basismodell mit 128 Gigabyte Speicherplatz knapp 30 Prozent teurer, ohne dass sich etwas an der technischen Ausstattung ändert. Wer das Headset ab August für 450 statt 350 Euro erwirbt, bekommt die gleiche Hardware. Dasselbe gilt für das teurere Modell mit 256 Gigabyte Speicherplatz, das neu mit 550 statt 450 Euro zu Buche schlägt.

Einer der Gründe, den Meta für die Preiserhöhung nennt, ist Nachhaltigkeit. Meta hat Milliarden in Forschung und Entwicklung sowie Software investiert und will das auch weiterhin tun. Die Preiserhöhung soll laut Meta helfen, langfristige Investitionen abzusichern, zumal Meta keinen Gewinn macht durch Verkäufe des VR-Headsets. Eine Preiserhöhung könnte dies ändern.

Als zweiten Grund nennt Meta steigende Herstellungskosten für die Hardware, die auf makroökonomische Faktoren wie Inflation zurückzuführen sind.

Das Unternehmen weist mit Recht darauf hin, dass Meta Quest 2 seit dem Launch softwareseitig an Wert gewann. Seit Oktober 2020 kamen viele neue Features wie der Fitnesstracker Oculus Move, das PC-VR-Streaming Air Link und Mixed-Reality-Unterstützung für VR-Apps hinzu. Sie erweiterten die Anwendungsszenarien des Geräts und machten die VR-Brille vielseitiger, als sie zum Launch war. Im August 2021 verdoppelte Meta zudem den Speicherplatz des Basismodells von 64 auf 128 Gigabyte – ohne Aufpreis.

Das Gesamtpaket aus Hard- und Software ist selbst für 450 Euro noch konkurrenzlos, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Das könnte sich mit der Pico 4, einem potenziellen Konkurrenzprodukt der TikTok-Mutter Bytedance, ändern. Das neue VR-Headset soll schon bald auf den Markt kommen und zu einem ähnlichen Preis neuere Technologie bieten als Meta Quest 2. Doch das bleibt abzuwarten. Leicht wird es Pico nicht haben, da Meta Quest 2 den Markt dominiert. Dies stellte Meta durch die aggressive Bepreisung des VR-Headsets sicher. Jetzt, da Meta den Markt kontrolliert, darf auch der Preis wieder steigen, so könnte Metas Kalkül lauten.

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Meta Quest 2 erschien im Oktober 2020. | Bild: Meta

Die Preiserhöhung kann zum einen als Zugeständnis an die Verwerfungen des Weltmarkts und Metas eigene Probleme interpretiert werden und dazu dienen, Investoren zu beschwichtigen. Der Zeitpunkt der Ankündigung ist nicht zufällig: Meta wird heute die jüngsten Quartalsergebnisse offenlegen und rosig dürften die Zahlen nicht sein. Zum anderen kann die Preiserhöhung auch ein Zeichen von Metas Zuversicht sein: Ein Produkt, das sich schlecht verkauft und Konkurrenz fürchten muss, erlebt normalerweise keine Preiserhöhung.

Eine interessante Theorie zur Preiserhöhung vertritt David Heaney. Er denkt, dass Meta den Preis weniger im Hinblick auf ökonomische Faktoren als auf die Herstellungskosten der Meta Quest 3 erhöhte. Das neue VR-Headset kommt Berichten zufolge Ende 2023 auf den Markt und könnte Technologien wie Face- und Eyetracking in die Produktreihe einführen. Mit einer Preiserhöhung könnte Meta die zusätzlichen Kosten abfedern und die Produktreihe finanziell nachhaltiger machen. Endverbraucher hätten nun Zeit, sich an den neuen Einstiegspreis für Metas VR-Headsets zu gewöhnen.

Ebenfalls eine Rolle spielen könnten die im August ausrollenden Meta-Konten, mit denen die Facebook-Kontopflicht fällt. Hier könnte man spekulieren, dass Meta die Verluste, die durch den Wegfall von Nutzerdaten entstehen, in Form eines höheren Gerätepreises an die Endverbraucher weitergibt. Das Gewicht dieses Arguments ist von außen allerdings schwer zu beurteilen.

Auch wenn Meta künftig weniger Geräte absetzt und das ist aufgrund des höheren Preises zu erwarten: Für die VR-Industrie ist diese Entwicklung positiv. Ein dermaßen tiefer Einstiegspreis ist unhaltbar bei einer Technologie, die in den Kinderschuhen steckt und ihre größten Entwicklungssprünge noch vor sich hat. Mit dem Preisdumping der letzten zwei Jahre förderte Meta unrealistische Preiserwartungen und schloss Mitbewerber vom Markt aus. Virtual Reality wird wieder teurer, aber das kommt dem Wettbewerb zugute und dürfte zu einem im Großen und Ganzen gesünderen Ökosystem führen.

Virtual Reality hat einen langen Weg vor sich, technologisch und ökonomisch. Die Kosten für Forschung, Entwicklung und Herstellung können nicht allein die Hersteller tragen. Am Ende werden die Konsumenten mit ihrem Portemonnaie entscheiden, wie schnell sich die Technologie entwickelt.

Dieser Beitrag erschien am 27. Juli 2022 bei MIXED.

Der Vergenz-Akkommodation-Konflikt – Was ist das?

Es ist ein Problem, das so alt ist wie VR-Brillen selbst: Nach einer längeren Zeit in der Virtual Reality tun die Augen weh und der Schädel brummt. Die Ursache ist ein Phänomen, das auch als Vergenz-Akkommodation-Konflikt (VAK) bezeichnet wird.

Nimmt man ein Objekt in der natürlichen Umgebung in den Blick, so passieren zwei Dinge. Zum einen stellen sich die Augenbälle durch sanfte Rotation auf das Objekt ein, um eine optimale stereoskopische Sicht zu gewährleisten. Dieses Phänomen nennt man Vergenz. Zum anderen werden die Linsen mittels Muskelkontraktion so geformt, dass das Objekt scharf erscheint. Dieses Phänomen nennt man Akkommodation.

Diese Mechanismen der menschlichen Auges sind normalerweise aneinander gekoppelt und in beständiger Wechselwirkung. Setzt man sich ein VR-Headset auf, kommt es zu einem Konflikt dieser beiden Reflexe, was zu einer Ermüdung der Augen, Kopfschmerzen und sogar Übelkeit führen kann. Eine längere Verweildauer in Virtual Reality wird dadurch beträchtlich gestört. Daher wären VR-Brillen mit Gleitsicht-Feature ein großer Gewinn.

Die Ursache für den VAK liegt in der Bauweise aktueller VR-Headsets. Das Zusammenspiel aus Display und Linsen erzeugt eine einzige, feste Fokusebene in etwa zwei Meter Entfernung. Alles, was sich hinter diesem Bereich befindet, ist für das Auge unendlich weit entfernt und gleichmäßig scharf. Da natürliche Umgebungen aus unendlich vielen stufenlosen Fokusebenen bestehen, ist das eine optische Anomalie für das Auge.

Blickt man in Virtual Reality auf ein Objekt, das weiter als zwei Meter entfernt ist, so stellt das kein gravierendes Problem dar, da Vergenz und Akkommodation unter diesen Bedingungen mehr oder weniger ungestört zusammenarbeiten. Ein Konflikt zwischen diesen Mechanismen entsteht erst im Nahbereich: Die Augenbälle konvergieren, um das nahe Objekt in den Blick zu nehmen, während die Linsen aufgrund fehlerhafter Tiefeninformation davon ausgehen, dass das Objekt unendlich weit entfernt ist und in infolgedessen nicht richtig scharf stellen. Das Ergebnis ist ein unscharfes Abbild der gesamten virtuellen Umgebung. Dass Vergenz und Akkommodation auf Objekte in unterschiedlicher Entfernung hinarbeiten, irritiert das Gehirn, wodurch es bei längerer Verweildauer zu den oben genannten unangenehme Symptomen kommen kann.

Diese drei Vergleichsbilder veranschaulichen den Vergenz-Akkommodation-Konflikt. Oben: Blick in eine natürliche Umgebung. Mitte: Blick in eine weit entfernte VR-Umgebung. Unten: Blick auf ein nahe gelegenes VR-Objekt. | Bild: Douglas Lanman / Meta

Die Industrie arbeitet seit vielen Jahren an Displays, die Gleitsicht in VR ermöglichen sollen, also das natürliche Fokussieren und Scharfstellen virtueller Objekte in beliebiger Entfernung. Als besonders vielversprechend gelten varifokale Displays und Lichtfeld-Displays.

2015 entwickelte Meta einen wuchtigen Varifokal-Prototyp mit feinmechanischen Teilen. In den folgenden Jahren miniaturisierte und vereinfachte Meta die Technologie. Das Ergebnis ist ein Prototyp mit Namen Half-Dome 3, der auf unbewegliche Flüssigkristalllinsen setzt. Sie erzeugen durch unterschiedliche elektrische Ladung bis zu 64 verschiedene Fokusebenen und liefern dem Auge so die Tiefeninformation, die es benötigt, um korrekt auf nahe Objekte scharfzustellen.

Ein Nachteil varifokaler Displays ist, dass sie präzises und schnelles Eye-Tracking voraussetzen: Das VR-Headset muss ermitteln, was das Auge anblickt und die nächstgelegene Fokusebene aktivieren. Gerenderte künstliche Unschärfe liefert weitere Tiefeninformationen, die die Akkommodation unterstützt. Das folgende Video zeigt das Bild aus Metas frühestem Varifokal-Prototyp, der bereits erstaunlich gut funktioniert: Man sieht den Fokuspunkt des Auges und wie das System zwischen verschiedenen Fokusebenen wechselt.

Der Headset-Träger kann wie beim Blick in eine natürliche Umgebung durch Akkommodation abwechselnd Vorder- und Hintergrund fokussieren, wobei eine Ebene scharf, die andere unscharf wird. Besonders schön zeigt sich das beim Maschendrahtzaun.

Lichtfeld-Displays sind eine zweite vielversprechende Technologie, die den Vergenz-Akkommodation-Konflikt lösen könnte. Auf diese Lösung wettet unter anderem das Schweizer Start-up Creal (ausgesprochen wie englisch „see-real“), das seit fünf Jahren an Lichtfeldtechnologie arbeitet und seither verschiedene VR- und AR-Prototypen vorgestellt hat.

Creals Display ahmt das Verhalten von Licht nach, das von der natürlichen Umgebung reflektiert wird. Die Fokusebenen sind damit schon in der Bildinformation enthalten und müssen nicht eigens simuliert werden: Das Auge kann natürlich fokussieren, nicht einmal Eye-Tracking ist notwendig.

Creal hat Videos veröffentlicht, die das Lichtfeld-Display in der Praxis zeigen. Das jüngste Video stammt aus dem Juni und demonstriert den VR-Prototyp. Es zeigt hervorragend den fokalen Wechsel zwischen Vorder- und Hintergrund, je nachdem, was die Kamera fokussiert: einmal die Hand und Finger, einmal das Display dahinter.

Das Lichtfeld erscheint in der Bildmitte innerhalb eines hochauflösenden 30-Grad-Sichtfelds, das dem fovealen Bereich des Auges entspricht. Das umgebende Sichtfeld wird durch ein herkömmliches, niedriger auflösendes Display dargestellt. Dieses Prinzip eines Doppeldisplays kennt man von Varjos Premium-Headsets.

Da das Lichtfeld schmaler ist, sinkt auch der Renderaufwand, was ein Vorteil ist für den Einsatz der Technologie. Das Team arbeitet nun an einem fovealen Darstellungsbereich, der sich mit dem Auge bewegt, um das Display noch effizienter zu machen.

Der aktuelle VR-Prototyp ist noch sehr klobig, schwer und teuer in der Herstellung. Creal will die Größe des Headsets in den nächsten Jahren auf den Formfaktor einer Skibrille reduzieren.

Dieser Beitrag erschien am 24. Juli 2022 bei MIXED.

VR-Brillen: Auf der Suche nach dem Existenzgrund

Vor ein paar Jahren hatte ich einen deutschen IT-Unternehmer zu Besuch, der es zu bedeutendem Wohlstand brachte. Der Zweck der Visite: Ich sollte ihm den Stand der VR-Technik vorführen. Er war mit modernen VR-Geräten noch nicht in Kontakt gekommen.

Viel gab es damals nicht zu zeigen. Wenn ich mich recht erinnere, probierte mein Gast Google Earth VR aus und spielte etwas Beat Saber. Seine erste Reaktion: Die Geräte sind noch immer wuchtig und unbequem. Dann kam die Gretchenfrage, die mein Gast mit einem tiefen Stirnrunzeln stellte: „Gibt es etwas, das Virtual Reality besser kann als ein herkömmlicher Computer, eine grundlegende Arbeitsanwendung, die in VR besser funktioniert?“

Ich hatte damals keine Antwort parat und habe sie, ehrlich gesagt, selbst heute nicht. Die bislang erfolgreichste Anwendung der Technologie sind Spiele. Das zeigen die millionenfachen Verkäufe der VR-Spielkonsole Meta Quest 2. Danach kommen Anwendungsfelder wie Training, Schulungen und 3D-Visualisierung, die primär für Unternehmen und professionelle Anwender:innen interessant sind – ein überschaubarer Markt. Und dann gibt es noch VR-Fitness, über dessen Reichweite wir nur spekulieren können.

Selbst wenn VR-Brillen verkaufstechnisch mit Spielkonsolen gleichziehen könnten, beschränkte sich die Zielgruppe auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Und diesen Stellenwert muss Virtual Reality erst noch erreichen. Vom „Mainstream“ ist die Technologie weit entfernt.

Mark Zuckerberg, der früh in Virtual Reality investierte und noch immer investiert, sieht in Spielen nur eine Brücke. Die Technologie hat für ihn eine höhere Bestimmung: Sie trägt das Potenzial einer neuen Computerplattform in sich und als ultimative Kommunikationstechnologie, die Menschen auf Distanz verbindet, als wären sie vor Ort. Als solche bräuchte sie keine Killer-App, weil die Killer-App in ihrem universellen Charakter, ihrer unglaublichen Vielseitigkeit bestünde.

Headsets haben einen weiten Weg vor sich, sollen sie Laptops ersetzen. Gerade in puncto Größe und Mobilität haben sie viel aufzuholen. | Bild: Tomislav Bezmalinović

Metas vorläufiges, hochgestecktes Ziel ist, die Arbeitswelt zu erobern und von dort aus in sämtliche Bereiche des Alltags vorzudringen. Zuckerberg hofft auf Headsets, die eines Tages herkömmliche Computer ersetzen können und den klassischen Arbeitsplatz verdrängen, indem sie das eigene Büro tragbar machen und beliebig viele, beliebig große Monitore in den Raum projizieren. Verbraucher hätten dann neben einem Grund für den Headset-Kauf auch eine Rechtfertigung. Dies ist laut Metas Technikchef Voraussetzung für eine Durchbruch der Technologie.

Metas erster VR-Arbeitscomputer Project Cambria kommt im Herbst auf den Markt und ist ein erster Schritt in diese Richtung. Apples erstes Headset dürfte ebenfalls auf Produktivität zielen und könnte dank einer tiefen Integration in Apples Ökosystem die Nase vorn haben.

Die entscheidende Frage ist, ob das Arbeiten in Virtual oder Augmented Reality genug Mehrwert bietet, dass Menschen bereit sind, einen Computer auf der Nase zu tragen. Im Raum schwebende 2D-Monitore? Das klingt nach Gimmick. Eine technische Umwälzung, wie sie Zuckerberg vorschwebt, bedarf großer Revolutionen, insbesondere beim Interface. Um die Produktivität mit Headsets wirklich zu steigern, braucht es neue Schnittstellen, die Sprachsteuerung, Hand- und Blickverfolgung und neuronale Signale umfassen. Ob und wie diese Interfaces Word und Co. verändern werden, ist noch nicht absehbar. Aber sie werden Arbeitsprozesse einfacher und schneller machen müssen, um sich zu bewähren.

Vielleicht stellt sich am Ende heraus, dass die bestehenden Arbeitswerkzeuge (Laptops, Desktop-Computer, Tablets und Smartphones) ihren Zweck hinreichend erfüllen und nicht neu erfunden werden müssen. Mein Macbook Air mit M1-Prozessor ist dünn, leicht, schnell, hält bei voller Ladung zwei Arbeitstage durch und hat ein ausreichend scharfes Bild. Für meine Meta Quest gilt nichts von dem und ich bezweifle, dass die ersten Cambria-Generationen an diesem Leistungsgefälle groß etwas ändern werden.

Meine Vermutung ist, dass Meta, Apple und Co. selbst nicht recht wissen, wohin die Reise geht und das Naheliegendste ausprobieren. Das ist normal – und ungeheuer spannend. Das Aufregende an neuer Technologie ist seit jeher, dass sie Anwendungen schafft, die wir vorab nicht erwarteten. Das Einzige, das gewiss ist, sind Überraschungen.

Dieser Beitrag erschien am 16. Juli 2022 bei MIXED.