Ich mag VR-Spiele, die physisch fordern. Ich räume die Möbel beiseite, ziehe meine Turnschuhe an und los geht es. Solange ich mich bewege, trainiere und kämpfe und dabei alles um mich herum vergesse, merke ich nicht einmal, dass ich über längere Zeit mehr oder weniger an Ort und Stelle stehe.
Anders verhält es sich bei VR-Inhalten mit wenig oder gar keinen Interaktionen. In diesem Fall spüre ich das Gewicht und die Trägheit meines Körpers schon nach wenigen Minuten. Selbst das VR-Headset scheint stärker als sonst zu drücken. Nach einer halben Stunde oder so kommt der Wunsch auf, einen Stuhl herbeizuholen. Die Nachteile sind offensichtlich: Das Sitzen beeinträchtigt die Immersion und ist nicht gesund, da man Alltag genug sitzt. Wenn es im Rücken zwickt, macht Virtual Reality keinen Spaß.
Möchte ich in der VR entspannen oder ein Spiel spielen, das keine allzu große physische Aktivität voraussetzt, suche ich die Couch auf und begebe mich in eine mehr liegende als sitzende Position: mit dem Rücken an die Seitenlehne gelehnt und angewinkelten oder ausgestreckten Beinen. So kann ich Virtual Reality ein bis zwei Stunden ermüdungsfrei genießen.
Leider funktioniert das nicht mit allen VR-Spielen. Da man den Oberkörper in dieser Haltung kaum bewegt und die Hände weniger Bewegungsspielraum haben, kann es passieren, dass man bestimmte virtuelle Objekte nur schwer oder gar nicht erreicht. Selbst der Griff zur virtuellen Waffe oder zum Werkzeug kann durch die physische Couch blockiert sein. Das gilt übrigens auch dann, wenn man aufrecht sitzt, da man die Arme nicht seitlich hängen lassen kann.
Die Branche hat Umwege entwickelt, die das Problem einer fehlenden Übereinstimmung von virtueller und physischer Körperhaltung mit Software-Tricks löst. Spieler können virtuell in die Hocke gehen, um Objekte, die am Boden liegen, aufzunehmen oder diese telekinetisch an sich heranziehen. Manche VR-Spiele wie Demeo erlauben, die Perspektive mit wenigen Handbewegungen so auszurichten, sodass man selbst im Liegen spielen kann. Doch das sind Ausnahmen.
Es würde der Branche helfen, wenn mehr VR-Spiele Couch-Gaming unterstützen oder zumindest mehr Spielmodi für bequeme und entspannte Situationen. So greifen VR-Interessierte womöglich häufiger zur VR-Brille statt zum Buch, dem Smartphone, der Fernbedienung oder der Spielkonsole. Die Konkurrenz ist groß und häufig gewinnt das Medium, das am bequemsten ist. Ein weiterer positiver Effekt Couch-kompatiblen VR-Gamings wäre, dass Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nicht lange sitzen, stehen oder gehen können, mehr VR-Inhalte genießen könnten. Ein Problem ist der zusätzliche Programmieraufwand. Die Implementierung geht zulasten VR-Studios, die ihre Spiele neben Sitzen, Stehen und Gehen für einen weiteren Spielmodus optimieren müssen, was noch mehr Ressourcen verschlingt.
Die Problematik scheint mir VR-spezifisch zu sein: Bildschirme waren jahrzehntelang stationär, ein Umstand, dem sich die Inhalte und Nutzung anpassten. Mit Handheld-Konsolen, Tablets und Smartphones wurden Bildschirme so klein und mobil, dass man sie in fast jeder Körperhaltung nutzen kann. Dennoch mussten Entwickler neue visuellen Strategien und Interaktionsformen erfinden. Virtual Reality ist ein noch größerer Paradigmenwechsel. Das hängt damit zusammen, dass Virtual Reality den physischen Körper und die Hände stärker involviert und in die Erfahrung einbringt – ein Anspruch, der mit dem Wunsch nach bequemer VR im Konflikt steht.
Die Konventionen des VR-Gamings sind nicht in Stein gemeißelt und befinden sich weiter im Fluss. Ich bin gespannt, wo VR in wenigen Jahren steht: Ob es sich stärker in Richtung Couch und klassischen Medienkonsum bewegt, oder als bewusst körperbetontes Medium neue Interaktions- und Unterhaltungswelten erschließt.
Dieser Beitrag erschien am 28. August 2022 bei MIXED.