Passthrough-Headsets: Forscher warnen vor Langzeitnutzung

Meta Quest 3 und Vision Pro sind keine herkömmlichen Brillen. Sie fangen die Umgebung mithilfe von Sensoren ein und rekonstruieren sie als digitalen Videofeed auf opaken Displays. Diese Technik nennt man Passthrough. Ist die Welt solchermaßen digitalisiert, kann sie manipuliert und um kontextsensitive virtuelle Objekte erweitert werden, was man Mixed Reality nennt.

Neben Passthrough-Headsets gibt es optische Headsets wie Hololens und Magic Leap. Diese sind transparent und projizieren digitale Elemente durch ein Stück Glas ins Auge, was den Vorteil hat, dass man die unvermittelte Welt vor sich sieht.

Passthrough-Headsets beseitigen eine Reihe von Schwächen optischer Headsets wie das schmale Sichtfeld und schwache Leuchtkraft digitaler Objekte, bringen jedoch eigene Nachteile mit sich: Die Welt gerinnt zu einem Videofeed und verliert dabei stets an Farbtreue, Auflösung und Tiefe.

Passthrough-Headsets werden sich in den nächsten Jahren dennoch durchsetzen und zur primären Kategorie räumlicher Computer werden. Die Technik und Inhalte werden erwartungsgemäß besser und die Geräte kleiner und bequemer, wodurch sie immer häufiger und länger am Stück genutzt werden. Doch was macht das eigentlich mit Menschen, wenn sie die Welt stundenlang durch ein solches Gerät betrachten und als Videofeed erleben?

Diese Frage stellte sich das Virtual Human Interaction Lab (VHIL) der Stanford University in einer neuen Feldstudie mit dem Titel: „Seeing the World through Digital Prisms: Psychological Implications of Passthrough Video Usage in Mixed Reality“. Das VHIL erforscht seit 2003, wie sich Virtual Reality auf Menschen auswirkt und ist auf diesem Gebiet das weltweit führende Forschungslabor.

„Millionen von Menschen werden bald jeden Tag stundenlang die Welt vermittelt durch Kameras und Bildschirme sehen. Apple, Meta und andere Unternehmen stellen massenhaft Headsets her, die Nutzer vom Licht der realen Welt abschirmen und stattdessen auf Passthrough-Video als Grundlagentechnologie für Mixed Reality setzen“, schreiben die elf Autorinnen und Autoren der Feldstudie.

Die Passthrough-Experimente des VHIL wurden mit Quest 3 durchgeführt. | Bild: VHIL

Die Forscher:innen haben jeweils einige Stunden damit verbracht, Quest 3 in der Öffentlichkeit und privat zu tragen und ihre Erfahrungen mit dieser Technik zu dokumentieren. Zusätzlich wurde frühere Forschung zu den psychologischen Folgen durchgesehen und aufgearbeitet.

Die Forscher kommen zum Schluss, dass die Passthrough-Technik Staunen hervorrufen kann und sich für viele Anwendungen eignet, aber auch negative Folgen haben könnte, darunter Nachwirkungen auf den Sehapparat, Fehler beim Schätzen von Entfernungen, Motion Sickness und Störungen sozialer Interaktion.

„Wir raten Unternehmen, die für den täglichen Gebrauch dieser Headsets werben, zur Vorsicht und Zurückhaltung und fordern Wissenschaftler auf, dieses Phänomen rigoros und in Langzeitstudien zu untersuchen“, schreiben die Autoren. Frühere Forschung lege nahe, dass langfristige Nutzung von Headsets Folgen hat und dass es keinerlei direkte Forschung zum Thema Passthrough gebe, auch was die Auswirkung auf Kinder betreffe.

Die Forscher schlagen vor, Leitlinien zu erstellen, die die Nutzung einschränken, geben sich jedoch keinen Illusionen hin. „Angesichts der Tatsache, dass diese Strategien mit Smartphones gescheitert sind, sind wir nicht optimistisch. Wenn Apple und Meta fantastische Mixed-Reality-Inhalte erstellen, werden die Menschen sie wahrscheinlich viel nutzen.“

Auch auf das Sozialverhalten könnten sich Passthrough-Headsets negativ auswirken. „Während die physische Sicherheit zweifellos wichtig ist, müssen sich Wissenschaftler auch auf soziale Abwesenheit konzentrieren, ein Phänomen, bei dem sich Passthrough-Nutzer von anwesenden Personen sozial abgekoppelt fühlen. Ausgehend von früheren Forschungen und unseren Erfahrungen sollte man nicht davon ausgehen, dass die soziale Präsenz von Personen, die über Passthrough hereingebeamt werden, gleichbedeutend mit Face-To-Face-Interaktion ist“, schreiben die Forscher:innen.

Apple Vision Pro bietet die bislang beste Passthrough-Qualität für Verbraucher, aber ist bei Weitem nicht perfekt. In seinem Vision-Pro-Test schrieb Verge-Chefredakteur Nilay Patel, dass Passthrough möglicherweise eine technologische Sackgasse sei, weil der Videofeed keineswegs mit dem natürlichen Sehen mithalten könne. Er kritisierte außerdem das EyeSight-Display, das die Augen der Nutzer auf externen Displays darstellt, weil es keinen echten Augenkontakt mit der Außenwelt ermögliche.

Solche rein technischen Mängel könnten jedoch im Laufe der Zeit ausgemerzt werden, wovon auch die Forscher des VHIL ausgehen.

Dieser Beitrag erschien am 6. Februar 2024 bei MIXED.