Caitlin Kalinowski leitet Metas prestigeträchtigstes Metaverse-Projekt: die Entwicklung einer AR-Brille. Die Ingenieurin arbeitete sechs Jahre lang als Produktdesignerin bei Apple, bevor sie 2013 zu Oculus wechselte. Nach der Facebook-Übernahme 2014 leitete sie knapp zehn Jahre lang die Entwicklung von VR-Hardware. In dieser Rolle verantwortete sie unter anderem das Produktdesign von Oculus Go (2018) und Oculus Quest (2019).
Im März 2022 wechselte Kalinowski in die AR-Abteilung und leitet seither die Entwicklung von Metas erster, vollwertiger AR-Hardware. Eine Geräteklasse, die höchste Priorität hat für Mark Zuckerberg: Die AR-Brille soll eines Tages das Smartphone ersetzen und Metas Abhängigkeit von Googles und Apples Ökosystemen vermindern. Rund die Hälfte aller Metaverse-Ausgaben fließen in die Entwicklung der Hard- und Software dieses künftigen Super-Wearables.
Doch ein Produktlaunch ist keineswegs nahe und die technischen Herausforderungen im Vergleich zu VR-Brillen immens, wie Kalinoswki in einem Interview auf Metas Techblog erläutert. „Wir entwickeln ein Gerät, das das Erste seiner Art ist, und gleichzeitig arbeiten wir daran, es zu einem Produkt zu machen“, sagt Kalinowski.
Etwas zu entwickeln, das noch nicht existiert, bezeichnet die Ingenieurin als „New Technology Introduction“ oder NTI. Beim vor kurzem gelaunchten Mixed-Reality-Headset Meta Quest Pro waren die schwierigste NTI die Pancake-Linsen, deren Entwicklung allein vier Jahre in Anspruch nahm. „Die AR-Brille, an der wir arbeiten, hat ungefähr sechs NTIs, die mindestens so schwierig, wenn nicht sogar noch schwieriger sind“, meint Kalinowski.
Dass Meta im Gegensatz dazu bereits sechs oder sieben VR-Headsets auf den Markt gebracht hat, liege an der Verfügbarkeit der Komponenten, die oft aus bestehenden Smartphone-Lieferketten stammen, und daran, dass nicht so viele NTIs in die Entwicklung einfließen. „Auf der AR-Seite muss jede NTI gelöst werden, bevor wir überhaupt an ein Produkt denken können“, sagt Kalinowski. „Der größte Unterschied [zu VR] ist also, dass wir uns in einer anderen Phase der Produktentwicklung befinden. VR ist viel weiter fortgeschritten als AR, aber irgendwann wird AR aufholen.“
Eine AR-Brille dürfe nur ein Sechstel des Gewichts eines VR-Headsets oder weniger haben, und das, obwohl es eine anspruchsvollere Aufgabe hat. „Alles, was wir auf den Bildschirm projizieren, muss genau [mit der physischen Welt] übereinstimmen.“ Fast alles müsse eigens für den Zweck gebaut und optimiert werden, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen, da in einer alltagstauglichen AR-Brille nicht viel Platz ist für einen Akku, meint die Ingenieurin.
Die vielen Herausforderungen kann Kalinowski nicht auf die leichte Schulter nehmen, die Entwicklung von VR-Brillen sei für sie angenehmer gewesen. „Ich musste damit fertigwerden, dass ich mir nicht 100-prozentig sicher sein kann, wann die Dinge eintreffen und wann alles bereit sein wird.“ Apple soll die eigene AR-Brille aus diesen Gründen auf unbestimmte Zeit verschoben haben, während Metas erste AR-Hardware angeblich für das Jahr 2026 angesetzt ist – falls nicht weitere Hürden und Überraschungen hinzukommen.
Aber wenn es einmal so weit ist, werden AR-Brillen VR-Headsets komplett ersetzen? Kalinowski widerspricht dieser Auffassung. „Es handelt sich um unterschiedliche Technologien. Ich denke, wir werden viel mehr Zeit in AR als in VR verbringen. VR wird wichtig sein für Bildung, für tiefgreifende, immersive Erfahrungen, während AR für die meisten Dinge verwendet werden wird, für die man heute das Smartphone benutzt“, prognostiziert Kalinowski.
Die Produktdesignerin denkt, dass wir die Schlüsselanwendungen von AR-Brillen noch gar nicht kennen. „Eines der Dinge, die uns bei VR wirklich überrascht hat, war Fitness. Die Leute wollen in VR trainieren, was wir nie erwartet hätten. Auch bei AR wird es Überraschungen geben“, meint die Projektleiterin.
Dieser Beitrag erschien am 3. Februar 2023 bei MIXED.