Bei Augmented Reality tat sich 2021 zwar einiges, eine herausragende Neuigkeit jedoch gab es nicht. Der nächste große Schritt könnte 2022 kommen, wenn auch anders als erwartet. Lassen wir das AR-Jahr 2021 im Schnelldurchlauf Revue passieren und wagen wir zugleich ein Blick ins nächste Jahr!
Was geschah 2021 in Sachen Hardware? Die große AR-Hoffnung Nreal Light erschien im Frühjahr in Deutschland und entpuppte sich als ein höchst experimentelles Produkt, dessen größte Stärke ist, virtuelle Monitore in die Umgebung zu projizieren. Dass das chinesische Unternehmen mit seinem nächsten Wurf, der Nreal Air, die bescheidene AR-Tauglichkeit der Nreal Light wieder aufgibt, ist bezeichnend für die technische Sackgasse, in der Augmented Reality derzeit steckt. Das dürfte so bleiben, bis es einen grundlegenden Durchbruch bei AR-Displays gibt.
Ein paar Wochen nach dem Deutschlandstart der Nreal Light stellte Snap die AR-Brille Spectacles vor, die aus gutem Grund nur für ausgewählte Entwickler greifbar ist. Sie bietet ein briefmarkengroßes Sichtfeld und muss nach einer halben Stunde Nutzung wieder an den Strom.
Im September kam die Ray-Ban Stories auf den Markt, ein Gemeinschaftsprojekt von Meta und Ray-Ban, das eine klassische Sonnenbrille um Kamera und Lautsprecher erweitert. Den attraktiven Formfaktor erkauft sich das Wearable durch den Verzicht auf ein AR-Display, womit sich die Frage nach dem Nutzen und Mehrwert des Geräts stellt. Möglich, dass Meta hier nur die Datenschutzreaktion auf Kamerabrillen abfragt.
Ansonsten gab es in erster Linie vage Ankündigungen und Gerüchte. Niantic-Chef John Hanke teaserte eine fertig wirkende AR-Brille, nur um ein paar Monate später anzumerken, dass deren Entwicklung noch Jahre dauern wird. Meta verriet im Herbst den Codenamen der ersten AR-Brille Project Nazare, die ebenfalls noch Jahre entfernt ist. Microsoft versprach einen transformativen Sprung für Hololens 3, die laut Gerüchten mit Samsung entwickelt wird und 2024 enthüllt werden könnte.
Das nächste Stück erweiterte Realität bringt Magic Leap in die AR-Branche. Das Unternehmen, in das Investoren erneut 500 Millionen US-Dollar pumpten, kündigte Magic Leap 2 für das erste Quartal 2022 an. Das Gerät richtet sich ausschließlich an Unternehmen und bringt Verbesserungen bei Sichtfeld, Gewicht und Formfaktor.
In Ermangelung neuer Hardware blieb das Smartphone auch 2021 die meistgenutzte AR-Plattform. Und Smartphone-AR ist weiter auf der Suche nach sinnvollen Anwendungen.
Ja, AR-Filter bei Instagram und Co. waren auch 2021 beliebt und Pokémon Go scheffelt weiterhin Unmengen Geld. Aber diese beiden Beispiele als Argument dafür zu nehmen, dass Augmented Reality im Mainstream angekommen und wichtig ist, bringt die Branche nicht weiter. Google hat mit AR in der Google Suche zwar einen großen Hebel, den das Unternehmen in diesem Jahr aber nicht weiter einsetzte.
Denn abseits dieser beiden AR-Säulen gibt es nichts Erfreuliches zu berichten. Was haben Minecraft Earth, Catan AR und Harry Potter: Wizards Unite gemein? Alle drei AR-Spiele haben große Lizenzen im Rücken. Und alle drei wurden 2021 wegen mangelndem Interesse eingestampft. Pokémon Go bleibt wohl das Einhorn unter den Smartphone-AR-Spielen.
Smartphone-AR wird seinen Gimmick-Charakter nicht los, obwohl AR-Schnittstellen in den letzten Jahren große Sprünge hinlegten und technisch beeindruckend sind. Die beiden wichtigsten, ARKit und ARCore, haben dieses Jahr keine bedeutenden Updates erhalten und sind reif für die Technologie, für die sie ursprünglich entwickelt wurden: AR-Brillen. Die wiederum dürften noch Jahre auf sich warten lassen.
Augmented Reality, die das Sichtfeld ausfüllt, realistisch wirkende Hologramme in die Welt beamt und mit der physischen Umgebung interagiert: Dies wird nächstes Jahr in Gestalt von Video-AR-Brillen Wirklichkeit. Diese Geräte sind eine Weiterentwicklung von VR-Brillen. Sie filmen die Umgebung mit integrierten Kameras und erzeugen auf den Displays ein täuschend echtes und frei manipulierbares digitales Videoabbild der physischen Wirklichkeit.
Viele schwerwiegende Nachteile transparenter AR-Brillen (Hololens, Magic Leap, Nreal Light) stellen mit dieser AR-Technik kein Problem mehr dar: Video-AR-Brillen bieten ein weites Sichtfeld, opake Hologramme, Darstellbarkeit von Schattierungen und Schwarz und eine hochwertige Bildqualität.
Metas nächste VR-Brille Cambria ist für Video-AR optimiert, genauso wie die Lynx R-1 und das erste Apple-VR-Headset, das laut zahllosen Gerüchten und Leaks im kommenden Jahr vorgestellt werden und vielleicht sogar erscheinen soll. Video-AR ist der nächste Schritt in der Entwicklung der Augmented Reality und wird zum ersten Mal das Potenzial fortschrittlicher AR offenlegen. Und die Zeit sinnvoll überbrücken, die benötigt wird, um transparente alltagstaugliche AR-Brillen zu bauen.
Dieser Beitrag erschien am 29. Dezember 2021 bei MIXED.