§ 141. Die Betrachtung

Es erscheint mir daher klüger, der Form einzelner Betrachtungen Vorzug zu geben, in der Hoffnung, dass diese in der Gesamtschau ein zusammenhängendes Bild ergeben. Die Betrachtung trägt Geist und Welt als den beiden Wirkungsgrößen des Lebens Rechnung, denn sie begreift Wahrnehmung und Denken als etwas, das zusammengehört. Eine Betrachtung ist sich zudem ihrer selbst bewusst, und zwar insofern, als sie weiß, dass sie Betrachtung ist, dass ihr ein Betrachter zugrunde liegt, dass sie Verhältnisform und nicht Schau eines Objektiven ist. Sie versteht sich ferner als etwas, das vorläufig und Teil einer Bewegung ist, die zu keinem Ende kommen kann. Ohne künstliche Scheu stellt sie Regeln auf, um nach diesen Regeln zu spielen, denn sie weiß, dass Philosophie letztlich darin zu sich findet.

§ 142. Worin die Ganzheitlichkeit dieser Systematik gründet. Der höchste Begriff einer Zehnten Kunstform als oberste Einheit des Entwurfs

Die Ganzheitlichkeit dieser Systematik gründet in den drei Dimensionen des Lebens, die sie umfasst: die Dimension des Geistigen, Sinnlichen und Wirklichen als den drei Pfaden der Entdeckung, deren Widerschein das Wahre, Schöne und Gute ist. Damit zeigt sich, dass Philosophie und Kunst Erscheinungsformen ein und desselben höchsten Strebens sind. Denn nichts anderes stellt der Entwurf einer Zehnten Kunstform dar als den Versuch, sich den höchsten Begriff einer solchen Kunstform zu denken, dergestalt, dass in der Form derselben zugleich und in höchstem Maße ein und ihr Wahres, Schönes und Gutes hervortritt. Diese Form wurde als die allgemeine Form des Lebens bestimmt und jeder der drei Teile arbeitet dem Ziel zu, in dieser Form die Bedingung der Möglichkeit eines solchen höchsten Begriffs zu denken. Dieser höchste Begriff bildet folglich die Einheit eines solchen Unterfangens.

§ 143. Zwei Formen der Schlichtung des Streits der Bestimmungskräfte

Es ist nicht möglich, dass zwei Bestimmungskräfte denselben Gegenstand zugleich auf unterschiedliche Weise bestimmen. Diese Formulierung des Bestimmungsparadoxes erhellt nicht bloß die Natur des Streits der Bestimmungskräfte, sie zeigt auch Möglichkeiten zu dessen Schlichtung auf. Eine erste Form dieser Schlichtung besteht darin, die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass die Bestimmungskräfte denselben Gegenstand bestimmen wollen, z.B. dadurch, dass die Bestimmungsmacht des Kunstwerks sich weitgehend auf die allgemeinen Gesetze der Welt beschränken, oder dadurch, dass man den Anspruch auf die Bestimmungsmacht des Rezipienten auf geschickte Weise steuert. Eine zweite, ungewöhnliche Form von Schlichtung, um die es mir in diesen letzten Betrachtungen gehen soll, besteht darin, die Bestimmungskräfte dazu zu bringen, denselben Gegenstand auf dieselbe Weise zu bestimmen.

§ 144. Entgegengesetzte Bestimmungszwecke als Ursache des Bestimmungsparadoxes

Dem Wirken einer Bestimmungskraft können Zwecke zugrunde liegen. Um ein Bestimmungsparadox zu verstehen, ist es folglich ratsam, die Bestimmungszwecke der am Bestimmungsvollzug teilhabenden Bestimmungskräfte zu untersuchen. Dass ein Bestimmungsparadox besonders stark hervortritt, kann folglich auch darauf zurückzuführen sein, dass beim Bestimmungsvollzug Bestimmungskräfte am Werk sind, deren Bestimmungszwecke im Widerspruch zueinander stehen.

§ 145. Willkür und Formwille

Man könnte statt von Zwecken auch von Formen des Willens sprechen. Die Form, den der Wille des Computerspielers annimmt, ist diejenige der Willkür. Mit dem Begriff der Willkür ist in Wahrheit das Gegenteil einer Form des Willens bezeichnet: ein allein dem Lustprinzip verpflichtetes, im gegenwärtigen Augenblick gefangenes Umherschweifen des Willens, das einmal diese, einmal jene, aber keine beständige Form annimmt. Das Eigenständige des Computerspiels als einer eigenständigen Form von Spiel besteht in der Erweiterung seiner Strukturelemente. Deshalb könnte man auch von einem verwilderten Spieltrieb sprechen, der sich im Raum seiner neugewonnenen Möglichkeiten verloren hat. Eine ganz andere Form nimmt der Wille des Künstlers an. Dieser Wille ist ganz der Formgebung verpflichtet, weshalb ich diesen Formwillen nenne.