Vollgepackt mit Technik: So entstand Metas smarte Ray-Ban-Brille

Das Wearable sieht aus wie eine herkömmliche Brille, aber kann viel mehr: Man kann mit ihr Fotos schießen, Filme aufnehmen, Musik und Podcasts hören, via Whatsapp und Messenger Nachrichten diktieren und verschicken sowie telefonieren. Die hierfür benötigte Technik wiegt lediglich 5 Gramm und passt in den Brillenrahmen und die Bügel, ohne diese in auffallender Weise aufzublähen. Eine beeindruckende technische Leistung.

Meta sieht in der Ray-Ban Stories, die aus einer Kooperation mit der Ray-Ban-Mutter EssilorLuxottica hervorging, den ersten Schritt in Richtung einer alltagstauglichen AR-Brille. Das Wearable kam im September 2021 auf den Markt und ein leistungsfähigerer Nachfolger ist bereits in Entwicklung.

In einem Blogartikel beleuchtet Meta die Entwicklung der Ray-Ban Stories und die technischen Herausforderungen, denen sich das Hardware-Team gegenübersah. Das leitende Designprinzip war, dass das Produkt alltagstauglich sein musste. „Erst eine coole Technologie entwickeln und dann herausfinden, wie man sie stilvoll verpacken kann, war nicht gestattet. Es ging darum, eine Ray-Ban-Brille zu nehmen und herauszufinden, wie man sie mit smarter Brillentechnologie ausstattet“, heißt es in dem Artikel. Das Wearable musste in erster Linie gut aussehen, statt mit technischen Features zu glänzen, die sie unansehnlich machten.

Die Ray-Ban Stories ist von einer gewöhnlichen Ray-Ban-Brille fast nicht zu unterscheiden. | Bild: TB

Weil Metas Labore während der Pandemie geschlossen waren, mussten die Ingenieurinnen und Ingenieure improvisieren und Teststationen für Hardware-Designs zu Hause aufbauen. Testaufnahmen mit verschiedenen Kamerasensoren wurden live aus China gestreamt. „Unser Hardware-Team ist nie nach China gereist, um die Produktion zu begutachten, was unvorstellbar ist.“

Die Auswahl der einzelnen Komponenten (Kameras, Lautsprecher, Mikrofone) gestaltete sich äußerst schwierig, weil jede Komponente auf Kosten eines anderen wichtigen Aspekts wie Platzbedarf, Batterieverbrauch, Wärmeableitung und Gewicht ging. Die Ray-Ban Stories hat an drei Stellen Mikrofone verbaut, um Geräusche aus der Nähe und der Ferne einzufangen. Hinzu kommen zwei praktisch unsichtbare Kameras in einem besonderen Winkel, um natürliche wirkende Aufnahmen aus der Blickperspektive zu erlauben. Eine flexible Leiterplatte in den Scharnieren der Bügel soll zudem 10.000 Faltungen der Brille standhalten.

Eine weitere Herausforderung war, dass das Team mehrere Modelle der Ray-Ban Stories mit stark variierenden Designs entwickeln musste, was mit individuellen Platz- und Designanforderungen einherging. „Ursprünglich haben wir versucht, das Design so zu gestalten, dass wir bei den verschiedenen Stilen flexibel sind, damit wir nicht jeden Aspekt des Produkts für jeden Stil neu entwickeln müssen“, heißt es im Artikel. „Aber uns wurde auch klar, dass wir Anpassungen vornehmen mussten, um die unterschiedlichen Rahmengrößen der verschiedenen Modelle zu berücksichtigen, und auch, wie die verschiedenen Modelle in ihr Ladeetui passen würden.“

Dieser Beitrag erschien am 26. Februar 2023 bei MIXED.

Metas erste AR-Brille: „Wir bauen etwas niemals Dagewesenes“

Caitlin Kalinowski leitet Metas prestigeträchtigstes Metaverse-Projekt: die Entwicklung einer AR-Brille. Die Ingenieurin arbeitete sechs Jahre lang als Produktdesignerin bei Apple, bevor sie 2013 zu Oculus wechselte. Nach der Facebook-Übernahme 2014 leitete sie knapp zehn Jahre lang die Entwicklung von VR-Hardware. In dieser Rolle verantwortete sie unter anderem das Produktdesign von Oculus Go (2018) und Oculus Quest (2019).

Im März 2022 wechselte Kalinowski in die AR-Abteilung und leitet seither die Entwicklung von Metas erster, vollwertiger AR-Hardware. Eine Geräteklasse, die höchste Priorität hat für Mark Zuckerberg: Die AR-Brille soll eines Tages das Smartphone ersetzen und Metas Abhängigkeit von Googles und Apples Ökosystemen vermindern. Rund die Hälfte aller Metaverse-Ausgaben fließen in die Entwicklung der Hard- und Software dieses künftigen Super-Wearables.

Doch ein Produktlaunch ist keineswegs nahe und die technischen Herausforderungen im Vergleich zu VR-Brillen immens, wie Kalinoswki in einem Interview auf Metas Techblog erläutert. „Wir entwickeln ein Gerät, das das Erste seiner Art ist, und gleichzeitig arbeiten wir daran, es zu einem Produkt zu machen“, sagt Kalinowski.

Die Produktdesignerin und AR-Hardware-Chefin Caitlin Kalinowski. | Bild: Meta

Etwas zu entwickeln, das noch nicht existiert, bezeichnet die Ingenieurin als „New Technology Introduction“ oder NTI. Beim vor kurzem gelaunchten Mixed-Reality-Headset Meta Quest Pro waren die schwierigste NTI die Pancake-Linsen, deren Entwicklung allein vier Jahre in Anspruch nahm. „Die AR-Brille, an der wir arbeiten, hat ungefähr sechs NTIs, die mindestens so schwierig, wenn nicht sogar noch schwieriger sind“, meint Kalinowski.

Dass Meta im Gegensatz dazu bereits sechs oder sieben VR-Headsets auf den Markt gebracht hat, liege an der Verfügbarkeit der Komponenten, die oft aus bestehenden Smartphone-Lieferketten stammen, und daran, dass nicht so viele NTIs in die Entwicklung einfließen. „Auf der AR-Seite muss jede NTI gelöst werden, bevor wir überhaupt an ein Produkt denken können“, sagt Kalinowski. „Der größte Unterschied [zu VR] ist also, dass wir uns in einer anderen Phase der Produktentwicklung befinden. VR ist viel weiter fortgeschritten als AR, aber irgendwann wird AR aufholen.“

Eine AR-Brille dürfe nur ein Sechstel des Gewichts eines VR-Headsets oder weniger haben, und das, obwohl es eine anspruchsvollere Aufgabe hat. „Alles, was wir auf den Bildschirm projizieren, muss genau [mit der physischen Welt] übereinstimmen.“ Fast alles müsse eigens für den Zweck gebaut und optimiert werden, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen, da in einer alltagstauglichen AR-Brille nicht viel Platz ist für einen Akku, meint die Ingenieurin.

Mit „Project Aria“ erforscht Meta die Grundlagen für die AR-Brillenzukunft. Das reine Forschungsgerät hat keinen Bildschirm verbaut, aber einen Formfaktor wie diesen könnte Meta für das erste Produkt anstreben. | Bild: Meta

Die vielen Herausforderungen kann Kalinowski nicht auf die leichte Schulter nehmen, die Entwicklung von VR-Brillen sei für sie angenehmer gewesen. „Ich musste damit fertigwerden, dass ich mir nicht 100-prozentig sicher sein kann, wann die Dinge eintreffen und wann alles bereit sein wird.“ Apple soll die eigene AR-Brille aus diesen Gründen auf unbestimmte Zeit verschoben haben, während Metas erste AR-Hardware angeblich für das Jahr 2026 angesetzt ist – falls nicht weitere Hürden und Überraschungen hinzukommen.

Aber wenn es einmal so weit ist, werden AR-Brillen VR-Headsets komplett ersetzen? Kalinowski widerspricht dieser Auffassung. „Es handelt sich um unterschiedliche Technologien. Ich denke, wir werden viel mehr Zeit in AR als in VR verbringen. VR wird wichtig sein für Bildung, für tiefgreifende, immersive Erfahrungen, während AR für die meisten Dinge verwendet werden wird, für die man heute das Smartphone benutzt“, prognostiziert Kalinowski.

Die Produktdesignerin denkt, dass wir die Schlüsselanwendungen von AR-Brillen noch gar nicht kennen. „Eines der Dinge, die uns bei VR wirklich überrascht hat, war Fitness. Die Leute wollen in VR trainieren, was wir nie erwartet hätten. Auch bei AR wird es Überraschungen geben“, meint die Projektleiterin.

Dieser Beitrag erschien am 3. Februar 2023 bei MIXED.

Fast so scharf wie die Realität: Thomas Hübners VR-Filme

Immersive Foto- und Videografie ist noch immer eine Nische. Die Abspielgeräte, also VR-Brillen, sind längst nicht so weit verbreitet, dass es sich für Kamerahersteller lohnen würde, im großen Stil in die Technik zu investieren. Deswegen gibt es nur wenig wirklich gute und erschwingliche VR-Kameras am Markt. Die hochwertigeren Produkte sind meist teuer oder so kompliziert in der Anwendung, dass sie nur für Enthusiasten infrage kommen. Weil massentaugliche VR-Kameras am Markt fehlen, sind gute Inhalte überschaubar, was wiederum die breitere Aneignung der Technologie hemmt. Ein Teufelskreis, den die VR-Industrie allzu gut kennt.

Niedrig aufgelöste, verwaschene oder grobkörnige VR-Aufnahmen: Die dürften allen bekannt sein, die in den vergangenen zehn Jahren mit Virtual Reality in Berührung kamen. Dementsprechend schlecht ist der Ruf der VR-Foto- und Videografie. Das gilt besonders für das 360-Grad-Format, das meistens in monoskopischer Form, also ohne natürlichen Tiefeneindruck, daherkommt.

Ein von Thomas Hübner aufgenommenes Stereobild, das, durch die VR-Brille betrachtet, an Plastizität und Tiefeneindruck gewinnt. Ein altes Prinzip, das man vom jahrhundertealten Stereoskop genannt. | Bild: Thomas Hübner

Aber es geht auch anders. Als ich kürzlich in Meta Quest TV nach interessanten Inhalten stöberte, bin ich auf beeindruckend scharfe und hochwertige VR-Aufnahmen eines deutschen Hobbyisten gestoßen: Thomas Hübner. Seine Videos haben mein Interesse geweckt, weshalb ich mit Hübner Kontakt aufnahm.

Vier Videos haben es mir besonders angetan. Hierbei handelt es sich zum einen um bewegte Bilder, zum anderen um Slideshows hochauflösender VR-Fotografien:

Gerade von den Fotografien geht eine starke Suggestivkraft aus, die mich zu einer Neubewertung des immersiven Potenzials der immersiven Foto- und Videografie bewegt. Die Umgebung wirkt teilweise so echt, dass man die Hand nach ihr ausstrecken möchte. Was, wenn solch scharfe und lebensechte Aufnahmen eines Tages mit herkömmlichen VR-Kameras möglich wären?

Davon sind wir noch weit entfernt. Für die Bewegtbild-Aufnahmen verwendet Hübner eine Kombination aus Canons R5-Profikamera sowie dazugehörigem Canon-VR-Objektiv. Kostenpunkt: rund 6.000 Euro. Und mit der Aufzeichnung des Filmmaterials fängt die Arbeit erst an.

Hübners Stereokamera-Rig, das er für die beeindruckenden VR-Fotografien verwendet. | Bild: Thomas Hübner

Hübner nutzt für die Nachbearbeitung mehrere Schichten Software: für das stereoskopische Ausrichten und Zuschneiden, das Stitchen, Entrauschen und Schärfen des Bildmaterials. Für die Aufnahmen des Schlosses Pillnitz kam zudem ein Folienfilter zum Einsatz, um die Belichtungszeit pro Frame und Sonnenstrahlen im 3D Bild zu verlängern.

Die VR-Fotografien wiederum wurden mit einem Stereo-Kamerasystem Marke Eigenbau aufgenommen, bestehend aus zwei Olympus PEN-F, die jeweils das linke und rechte Bild einfangen. Dank Sensor-Shifting-Technologie beträgt die Auflösung der Fotografien im rohen Format rund 100 Megapixel pro Auge, weshalb die Bilder nachträglich herunterskaliert werden müssen. Auch hier kommen bei der Nachbearbeitung mehrere Programme zum Einsatz, darunter die KI-basierte Bildoptimierungslösung Topaz.

Hübner beherrscht sein Handwerk. „Ich erforsche die Kameraeigenschaften, so wie jeder Fotograf seine Kamera kennenlernen sollte. Ich finde heraus, was mir die Kamera mit welchen Einstellungen liefert und ob ich mit Filtern zwischen Objektiv und Sensor eine Verbesserung schaffen kann“, sagt er. „Mit aktueller Software und Hardware suche ich nach einem optimalen und effizienten Workflow, um zu einem sehenswerten Ergebnis zu kommen und im Videobereich alles über die Grafikkarten rendern zu können.“ Sein VR-Content sei „jeweils das Ergebnis des Erreichten aus der jeweiligen Technik, einhergehend mit der weiterentwickelten Computertechnik und Software.“

„Ich verbinde die Freizeit in der Natur mit den technischen Herausforderungen zur Qualitätsverbesserung. Beim Wandern ohne Kamera fehlt mir etwas“, sagt Thomas Hübner. | Bild: Thomas Hübner

Trotz aller Fachkenntnis: Hübner ist kein professioneller Foto- und Videograf und beschäftigt sich nur in seiner Freizeit mit immersiven Aufnahmetechniken. Die hat er sich in den vergangenen Jahren größtenteils selbst beigebracht, durch Ausprobieren und durch Unterstützung anderer Enthusiasten, die auf einschlägigen Plattformen ihre Erfahrungen austauschen.

Sein Hobby betreibt er seit 2010. Auslöser war der 3D-Boom, der jedoch schnell wieder abflachte. Als Google 2017 das VR180-Format einführte, rüstete Hübner seine Fuji-3D-Kamera zu einer 180-Grad-Kamera auf, indem er sie um Weitwinkellinsen und Weitwinkelkonverter erweiterte. In die VR-Videografie, also bewegte VR-Aufnahmen, stieg er vor knapp einem Jahr mit dem Erscheinen von Canons VR-Objektiv ein. Seine Slideshows und Videos lädt Hübner auf Meta Quest TV sowie die kostenlose VR-Videoplattform DeoVR hoch, das eine bessere Bildqualität bietet.

Hübners VR-Kamerasammlung. | Bild: Thomas Hübner

Für die Zukunft hofft Hübner auf günstigere 3D-Kameras für Privatanwender und ein erneutes Engagement seitens Google in das VR180-Format. Dann könne auch genügend hochwertiges Material für autarke VR-Brillen entstehen, das wiederum mehr Verbraucher anlockt. Auch bei Canon, das eine „sehr gute Lösung“ geschaffen habe, hofft Hübner, dass die Investitionen in Richtung VR weitergehen. Ihm ist aber auch klar, dass VR-Technik noch stärkere Verbreitung finden muss, bevor sich auch die VR-Fotografie weiterentwickeln kann. „Nur durch eine breite Nutzerbasis wird Virtual Reality für Privatanwender auf Dauer bestehen“, meint Hübner.

Seine Filme findet ihr in Meta Quest TV, indem ihr nach Thomas Huebner Dev sucht oder auf die Video-Links oben klickt. In der VR-App DeoVR findet ihr Hübners Kanal unter HuebiVR.

Dieser Beitrag erschien am 14. Januar 2023 bei MIXED.

Playstation VR 2 ist ein Schnäppchen

Einfachheit gewinnt und so spiele ich seit 2020 fast nur noch autark mit Meta Quest 2. Mache ich mir die Mühe, Air Link anzuwerfen, dann meistens, um das eine oder andere VR-Spiel in höherer Auflösung und schönerer Grafik zu spielen.

Das reicht, um Begehrlichkeiten zu wecken, den Wunsch nach leistungsfähigerer Technik. Mache ich einen Abstecher in die VR-Version von Himmelsrand oder City 17, dann erkenne ich das Potenzial eines Spielemediums wieder, das nicht durch mobile Chips zurückgehalten wird. Ein Wow-Erlebnis, das mit dem VR-Alltag schnell wieder in Vergessenheit gerät. PC-VR-Mods, die sich in letzter Zeit immer größerer Beliebtheit erfreuen, spiele ich kaum. Die sind mir zu frickelig oder schlicht zu leistungshungrig.

Apropos Leistung: Die letzte Grafikkarte, die ich gekauft habe, war eine GTX 970. Die bot anno 2016 ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis und öffnete mir das Tor zur ersten PC-VR-Spielewelle. Einer großzügigen Spende sei Dank, wurde ich später einer GTX 1080 TI habhaft, die die Lebensdauer meines betagten Rechners verlängerte.

Die Kombination aus PS5 und PSVR 2 ist preiswerter und besser als ein PC-VR-Setup. | Bild: Sony

Die Grafikkarten-Landschaft hat sich seither gewandelt. Mit dem Kryptowahn, der Chip-Krise und Nvidias Preispolitik haben Grafikkarten ein dauerhaft höheres Preisniveau erreicht. 2023 bekommt man, so scheint mir, weniger für sein Geld als 2016, und wer, wie ich, ein VR-Purist ist, der kaum mehr am PC-Monitor spielt oder arbeitet, sieht keine Dringlichkeit, sich eine Grafikkarte weit jenseits der 500 Euro zu kaufen. Zumal PC-VR stagniert und exklusive Titel eine Seltenheit geworden sind. 2016 war das anders: Steam war neben Playstation VR die führende VR-Plattform und das Nonplusultra für VR-Gaming.

Hier kommt Playstation VR 2 ins Spiel. Das VR-System könnte die Lücke füllen, die PC-VR hinterließ und High-End-VR für vergleichsweise wenig Geld bieten – gemessen an den Kosten eines neuen PCs und der Hardware, die Playstation VR 2 bietet. Welches PC-VR-fähige Headset kann für 600 Euro mit Features wie Eye-Tracking, einem kontraststarken OLED-Display und haptisch hochwertigen VR-Controllern aufwarten? Die Software sollte man ebenfalls nicht außer Acht lassen: Ich meine VR-Spiele wie Horizon Call of the Mountain, Resident Evil Village und viele mehr, die voraussichtlich PSVR2 vorbehalten sind.

Auch wenn ich eigens eine PS5 kaufen muss, komme ich noch immer besser weg, als in eine überteuerte Grafikkarte zu investieren, nur um alte PC-VR-Titel zu spielen. Natürlich behält PC-VR die unveränderlichen Stärken als Experimentier-, Modding- und Multimedia-Plattform. Aber in Anbetracht von Sonys Angebot frage ich mich, wie viele frustrierte PC-VR-Fans in Richtung Playstation VR 2 abwandern werden und was das langfristig für SteamVR bedeutet.

Dieser Beitrag erschien am 12. Januar 2023 bei MIXED.

Virtual Reality 2022: Ein Jahr zum Vergessen

2022 war ein schwieriges Jahr für die VR- und AR-Branche, trotz oder gerade wegen des Metaverse-Hypes. Doch 2023 macht Hoffnung.

Das VR-Jahr stand zweifellos im Zeichen von Facebooks Umbenennung und Umorientierung aufs Metaverse. Das Metaverse: Es ist ein mysteriöses Ding, das mannigfaltige Definitionen hat, teilweise schon existiert, teilweise weit entfernte Sci-Fi-Fantasie ist und VR oder AR nicht zwingend voraussetzt. Eine verwirrende Sache, dieses Metaverse. Nicht einmal Experten können sich darauf einigen, was es genau ist, geschweige denn die Konsumenten.

Nach einem anfänglichen Wirbel, der die Industrie regelrecht überflutete und unschöne Erinnerungen an 2016 weckte, ging dem Metaverse schnell die Puste aus. Die Metaverse-Begeisterung wich der Metaverse-Müdigkeit.

In einem Blogpost, in dem Metas Technikchef Andrew Bosworth aufs vergangene Jahr zurückblickt, fällt das M-Wort kein einziges Mal. Stattdessen hört man ihn nur noch von „der Zukunft“ reden. Eine Zukunft, die ein Jahrzehnt oder noch weiter entfernt ist und der die aktuelle Technik kaum gerecht werden kann. Womit sich die Frage stellt, ob Zuckerberg mit seiner Metaverse-Wette nicht zu früh dran ist. Weshalb so viel Aufhebens machen um etwas, das noch so weit weg ist und peinliche Vergleiche (Second Life und Co.) provoziert?

Für den wichtigsten Treiber der VR- und AR-Industrie war es das bislang schwierigste Jahr der Unternehmensgeschichte. Die starke Konkurrenz seitens TikTok, Apples App-Tracking-Maßnahmen, die allgemeine Wirtschaftslage und nicht zuletzt Zuckerbergs Metaverse-Obsession ließen Metas Aktie ins Bodenlose stürzen. Ein Umstand, der sich in gestoppten Projekten und Massenentlassungen entlud.

Zuckerbergs berühmt-berüchtigter Horizon-Worlds-Selfie. | Bild: Meta

Neben dem Kerngeschäft hatte Meta auch im VR- und AR-Bereich Rückschläge hinzunehmen. Metas Prestige-Projekt und schwach besuchtes Proto-Metaverse Horizon Worlds sorgte immer wieder für negative Schlagzeilen, zuletzt durch Zuckerbergs leblosen Avatar-Selfie, der Meme-Status erlangte und Meta auf Jahre hin verfolgen könnte. Eine geplante Expansion der virtuellen Welten in Richtung Smartphone und Browser wurde aufs nächste Jahr verschoben. Ein Gerichtsstreit mit der US-Wettbewerbsbehörde FTC, der Stopp eines wichtigen XR-Projekts und die Verschiebung von Metas erster AR-Brille ins Jahr 2026 waren weitere Tiefpunkte für Meta.

Trotz dieser Rückschläge: Zuckerberg hält weiter an der Metaverse-Vision fest und will langfristig in VR und AR investieren. Seine Überzeugung, dass ein neues Computerzeitalter kommt, ist nicht gespielt. Eine spontane Kehrtwende ist nicht zu erwarten. Dafür müsste Meta noch stärker ins Taumeln geraten als 2022.

Andere wichtige Akteure hätten VR und AR 2022 mittragen können, verzichteten aber größtenteils darauf. Playstation VR 2 wurde zwar endlich im Detail vorgestellt, aber der Launch ins nächste Jahr verschoben. Das französische Mixed-Reality-Headset Lynx R1 startet offiziell ebenfalls erst im Februar 2023 und mit fast einem Jahr Verspätung. Und was ist mit Apple? Das Mixed-Reality-Headset, dessen Erscheinen schon seit vielen Jahren prophezeit wird, soll nun 2023 vorgestellt werden, behaupten ein gut informierter Apple-Leaker und Lieferkettenanalyst. Darauf wetten würde ich allerdings nicht.

2022 hätte ein bombastisches Hardware-Jahr werden können. Die Geräte, die am Ende tatsächlich auf den Markt kamen, sind technisch hochinteressant, aber irrelevant für Verbraucher. Sie werden den Markt nicht entscheidend voranbringen. Das AR-Headset Magic Leap 2 kam im September auf den Markt, richtet sich an Unternehmen und machte beim Start kaum Schlagzeilen. Meta Quest Pro erhielt mehr Beachtung von der Presse, entpuppte sich jedoch als überteuertes Devkit, dem richtige Software und Anwendungen fehlen.

Meta Quest Pro läutete die Ära der Mixed-Reality-Headsets ein. Hier mit Controllern und Ladestation. | Bild: Meta

Viele Fragezeichen warf dieses Jahr Microsofts AR-Strategie auf. Im Februar machten Gerüchte die Runde, dass die Entwicklung von Hololens 3 gestoppt sei. Ein paar Monate später verließ Microsofts AR-Visionär und Hololens-Erfinder Alex Kipman das Unternehmen. Aber auch die Entwicklung der Militär-Hololens hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Immerhin: Ende des Jahres deutete Microsofts Vizepräsident für Mixed Reality an, dass ein Nachfolger zur Hololens 2 in Arbeit ist. Sehr überzeugend klingen diese Bekenntnisse allerdings nicht, zumal Microsoft-CEO Satya Nadella deutlich machte, dass Microsofts Metaverse-Schwerpunkt in Zukunft auf der Software liegt. Eine im Herbst angekündigte Software-Partnerschaft mit Meta passt in diesen Kontext.

Bis die Industrie fortschrittliche und zugleich schlanke AR-Brillen bauen kann, dürften noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen. Deswegen versucht sie es jetzt mit der Entwicklung von Mixed-Reality-Headsets. Der Formfaktor dieser Brillen hat große Vorteile, aber auch Nachteile gegenüber klassischen AR-Headsets mit transparenter Optik.

Die im Oktober 2022 erschienene Meta Quest Pro ist eine solche Mixed-Reality-Brille, von denen in den nächsten Jahren noch viele folgen dürften, darunter Apples erste XR-Hardware.

Eine gute Nachricht gab es dieses Jahr für deutsche VR-Nutzer und solche, die es werden wollen: Nach der Einführung von Meta-Kontos wagte sich Meta Ende des Jahres erneut auf den hiesigen Markt und startete mit dem Verkauf von Meta Quest 2 und Meta Quest Pro. Mit dem Launch der Pico 4 im Herbst standen deutschen Verbrauchern zum Weihnachtsgeschäft sogar zwei autarke VR-Headsets zur Auswahl – eine positive Marktentwicklung. Ein Jahr zuvor waren es null.

Im Sommer gab Meta interessante Einblicke in die VR-Forschung. Bis zur Marktreife der technischen Konzepte werden allerdings noch viele Jahre vergehen. | Bild: Meta

Zum Jahresende gab es noch eine weitere Überraschung: John Carmack verließ Meta endgültig. Die Programmierlegende war gut zehn Jahre in der VR-Industrie tätig gewesen, trug zum Wiederaufleben der Technologie bei und prägte diese maßgeblich dadurch, dass er autarker Virtual Reality den Weg ebnete: von Samsung Gear VR (2015) über Oculus Go (2018) bis zur Meta Quest (2019).

Sein Weggang markiert den endgültigen Abschluss der Ära Oculus: Zehn Jahre, in der VR-Hardware nach einer Gestalt suchte, die das Fundament für einen Mainstream-Erfolg legen könnte und sie fürs Erste im autarken Formfaktor fand. Die Frage ist jetzt, wie weit Meta und andere Hersteller es mit der Carmackschen Formel bringen können. Sein Abschied aus der VR-Industrie ist nicht der Anfang des Endes für VR, es ist das Ende ihres Anfangs.

Was die Industrie 2022 versäumte, könnte sie 2023 nachholen: Mit Playstation VR 2 und Meta Quest 3 starten gleich zwei Headsets für Konsumenten. Hoffentlich mit beeindruckender First-Party-Software, denn an dieser Front enttäuschten die letzten beiden Jahre. Wagt auch Apple endlich den Markteintritt, dann könnte VR und AR so viel Aufmerksamkeit bekommen wie schon seit 2016 nicht mehr.

Die Berichte um Apples Headset-Launch sollte man nicht überbewerten. VR und AR benötigen Apple mehr als Apple VR und AR. Die Branche steckt noch in den Kinderschuhen und Apple hat alle Zeit der Welt, in den Markt einzusteigen: Sogar das iPhone hat derzeit fortschrittlichere Augmented-Reality-Features als die 1.800 Euro teure Meta Quest Pro.

Selbst im optimalen Fall: Große Sprünge in der Branche darf man auch 2023 nicht erwarten. VR und AR werden langsam und organisch wachsen, letztere in Form von Mixed-Reality-Headsets. Auf diese Technologie und was Playstation VR 2 an Highend-VR-Erlebnissen bringen wird, freue ich mich am meisten.

Dieser Beitrag erschien am 29. Dezember 2022 bei MIXED.