Spreche ich von einer Wiederentdeckung der Welt, so bezeichne ich damit zunächst ein Wiedererwachen des Bewusstseins für das Welthafte als eines uns seit jeher umgebenden Wunders. Die Welt und das Leben als Verhältnis, das wir vermöge des Geistes zur Welt eingehen, ist ein Allgemeinstes, das für uns deshalb zum weißen Hintergrund für alles andere geworden ist, weil wir dieses Allgemeinsten immer schon teilhaftig sind. Denn was zuerst und zuletzt erscheint, sind Geist und Welt als die Bedingungen aller anderen Bedingungen. Wird die Welt als eine Einheit des Wirklichen und Sinnlichen zu einem Artefakt, wodurch das Natürliche einmal mehr unter den Bedingungen des Künstlichen erscheint, so werden wir uns ihrer Eigengesetzlichkeit schlagartig wieder bewusst. Man könnte behaupten, dass das vormals Natürliche damit zu einem bloßen Effekt der Kunst verkommt, aber mit gleichem Recht könnte man behaupten, dass dem Natürlichen dadurch sein Zauber wiedergegeben werde, zumal es letztlich als ein Gesetztes, mithin Unbegreifliches erscheint, wodurch sein durch und durch rätselhafter Charakter erst recht hervortritt.
Date Archives → März 2012
§ 150. Die Wiederentdeckung der Welt
Spreche ich von einer Wiederentdeckung der Welt, so bezeichne ich damit auch noch etwas anderes, weitaus Bedeutenderes: den Umstand, dass die Welt im Hervortreten einer Zehnten Kunstform zu einem Gegenstand der Entdeckung wird. Dadurch, dass die Welt selbst zum Gegenstand der Entdeckung wird, erscheint das Leben als allgemeinste aller Verhältnisformen unter den Bedingungen der Kunst. Aber so wie das Naturschöne nur vermöge dessen schön gelten kann, als es ein Wirkliches ist, so kann das Kunstschöne nur vermöge dessen schön gelten, als es ein Mögliches ist. Dass das Leben unter den Bedingungen der Kunst erscheint, bedeutet folglich, dass es nicht mehr unter dem Vorzeichen der Wirklichkeit, sondern demjenigen der Möglichkeit erscheint. Es wird zum Medium der Entdeckung, der Entdeckung eines ästhetischen Verhältnisses zur Welt, das zunächst eines der ästhetischen Handlung ist. In dieser ästhetischen Handlung besteht das noch zu entstehende Handwerk einer Entdeckung der Welt, zu welchem die Zehnte Kunstform die Voraussetzungen schafft. Die Existenz eines solchen Handwerks tritt im Vermögen hervor, selbst für die ästhetische Form seines Lebenswerkes zu sorgen. In dieser neuen Einheit von Freiheit und Form wären alle Versprechen eingelöst und alle Hoffnungen bestätigt, die einer Zehnten Kunstform erwachsen können. Denn hiermit ist die Willkür zum Formwillen geworden und beide Bestimmungskräfte arbeiten dem Bestimmungsvollzug zu. Dieser würde seine Vollendung nicht mehr in der Überwältigung der Welt finden, sondern darin, dass man gleichermaßen gegeben wie empfangen hat, so dass wir im Lebenswerk uns gleichermaßen begegnen wie der Welt, so dass wir in der Welt gleichermaßen erscheinen wie die Welt in uns.